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Archiv-Artikel

WIR CASTEN UNS ’NEN SUPERSTAR

Vor mehr als einem Vierteljahrhundert wurde sie gegründet, vor fast zwanzig Jahren hatte sie ihren ersten Hit („Original Sin“), vor acht Jahren erhängte sich ihr Sänger Michael Hutchence in seiner Suite im Hotel Ritz Carlton zu Sydney – aber INXS (sprich: „in excess“, im Exzess) gibt es noch immer. Und nun suchen sie sogar einen neuen Sänger. „Keinen Ersatz“, wie Gitarrist Kirk Pengilly die Fans wissen lässt, „weil niemand Michael Hutchence ersetzen kann. Wir wollen jemand, der anders ist. Am liebsten wäre mir eine Frau, weil die dann vor Vergleichen mit Michael sicher wäre“.

Wie wichtig Michael Hutchence in den Achtzigerjahren gewesen sein muss, hat neulich auch George Michael unterstrichen, als er auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärte: „Ich würde immer noch mit bescheuert geföhnten und bescheuert gefärbten Haaren in bescheuerten Klamotten rumlaufen, wenn mich Michael nicht auf den richtigen Weg gebracht hätte.“ Ansonsten hatte Hutchence den Namen der Band sehr ernst genommen, ging mit Kylie Minogue, Helena Christensen und Bob Geldofs damaliger Ehefrau Paula Yates ins Bett, galt als begnadeter Drogenschlucker und war Dauergast in der Boulevardpresse.

Auch wenn der typische INXS-Sound (verschwitzter, tanzbarer und radiokompatibler Funkrock) derzeit wieder angesagt ist, dürfte der Grund für die neuerliche Sängersuche kein künstlerischer sein – sondern ein rein kommerzieller.

Dafür bürgt Mark Burnett, der sich schon TV-Hits wie Survivor, „The Apprentice“ (mit Donald Trump) oder „American Idol“ ausgedacht hat, die US-Version von „Deutschland sucht den Superstar“. An „INXS Rockstar!“ sollen nun alle profitieren, die TV-Sender, Burnett und nicht zuletzt die Band selbst.

Ob dieses Kalkül aufgeht, ist allerdings mehr als fraglich: Noch nie hat eine Rockgruppe nach dem Tod eines wichtigen Mitglieds an alte Erfolge anknüpfen können. Und noch nie hat eine Band ihren Namen so exzessiv zu Markte getragen wie jetzt INXS – nicht einmal Queen, die immer mal wieder mit wechselnden Ersatzleuten für Freddy Mercury auftreten und ihre Hits nun sogar zu einem Musical verwursten wollen. Eine Sünde immerhin, die uns INXS ersparen.FRA, STINSON