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Archiv-Artikel

Ein Sportführer für des Führers Endkampf

Bis heute liegt die Kölner Sporthochschule am Carl-Diem-Weg. Und ginge es nach ihr, soll das auch so bleiben. Trotz Diems Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes bis zum bitteren Ende halten ihm die Sportwissenschaftler die Treue

Von PASCAL BEUCKER

In Köln war die Nazi-Barbarei bereits besiegt, da mobilisierte der große Sportführer auf dem Berliner Reichssportfeld noch einmal die letzten Kräfte für das untergehende Dritte Reich: „Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt“, bemühte Carl Diem am 18. März 1945 den spartanischen Dichter Tyrtaios, um die versammelten Jünglinge der Hitlerjugend und die Greise des Volkssturms zum „Endkampf für Führer, Volk und Vaterland“ zu motivieren. Leider erfolgreich: Über 2.000 von ihnen sollen den eingetrichterten Fanatismus noch in den letzten Kriegstagen mit ihrem Leben bezahlt haben, darunter viele, die erst 13 oder 14 Jahre alt waren.

Diems „flammende Rede“ zu „großer Opferbereitsschaft“ ist Reinhard Appel, der als siebzehnjähriger HJ-Pimpf dem grausigen Schauspiel beiwohnen musste, bis heute nachhaltig in Erinnerung geblieben. Diem, so der spätere Chefredakteur des ZDF, habe seine „Autorität im Sport“ dazu missbraucht, um „uns in den Kugelhagel zu schicken“. Appel: „Ich kann das heute nur mit dem Versuch von Hamas-Leuten vergleichen, junge Selbstmordattentäter in Palästina zu gewinnen.“ Ist so jemand dafür geeignet, dass nach ihm Straßen, Plätze, Hallen oder Schulen benannt werden? Erstaunlich, aber seit Jahrzehnten wird über diese Frage gestritten, auf die es doch eigentlich nur eine Antwort geben kann.

Trotzdem gibt die Deutsche Sporthochschule (SpoHo) in Köln bis heute die andere. Nach wie vor hält sie ihrem Gründungsrektor die Treue und entsprechend nichts von Umbenennungen. Dabei beruft sie sich auf das Urteil des Potsdamer Sporthistorikers Hans Joachim Teichler, der in einem Gutachten Mitte der 90er Jahre feststellte: „Eine derartige nachträgliche Umbenennung würde seinem Lebenswerk nicht gerecht und seine Aktivitäten in der NS-Zeit unhistorisch überhöhen.“

Tatsächlich? Lässt sich denn die unbestritten große Bedeutung Diems für die Entwicklung des deutschen Sports einfach mit der Unterstützung des NS-Regimes zu seinen Gunsten aufrechnen? Immerhin biederte sich der hochverehrte „Vater des deutschen Sports“ von Anfang an den Nationalsozialisten an. So bewarb sich der Nationalkonservative bereits 1933 – vergeblich – als „Reichssportführer“ und er diente den Nazis schließlich unter anderem als Organisator der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und auch als Leiter der Auslandsabteilung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen, einer Art „Außenminister“ des NS-Sports. Den Überfall auf Frankreich bejubelte Diem 1940 als „Sturmlauf durch Frankreich“. Die deutschen Soldaten „beglückte“ er bei mehrfachen Truppenbesuchen an der Front mit eindringlichen Reden „von Gehorsam, Wehrhaftigkeit, Nationalstolz, Kampf bis zum letzten Hauch“. Sein Credo: Der Krieg sei „der vornehmste, ursprünglichste Sport“. Und: „Der gute Kämpfer greift an und bricht jeden Widerstand.“ Bereut hat der 1962 in Köln gestorbene Diem solche Sätze bis seinem Lebensende öffentlich nicht.