: „Ich will weg von der Comedyrotze“
Kurt Krömer könnte morgen mit seiner Show den Grimme Preis gewinnen. Verdient hätte es der Neuköllner, der seinem Berliner Problemkiez im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen Platz gesichert hat. Und da soll er auch bleiben, sagt Komödiant Alexander Bojcan, Alter Ego und Erfinder des Krömer. „Ich will nicht ins Privatfernsehen“
INTERVIEW BARBARA BOLLWAHN UND HANNAH PILARCZYK
taz: Herr Krömer, hat Sie Ihre Nominierung gefreut oder waren Sie eher erschrocken und dachten, die Jury hätte sich vertan?
Kurt Krömer: Zuerst habe ich gedacht, das sei ein neues Verfahren: Die Jury würfelt jetzt. Nein, ich habe mich natürlich gefreut. Aber ich bin ja erst nominiert – ebenso wie Bastian Pastewka oder Cordula Strathmann. Jetzt gucken wir erst mal. Ich würde mich auch sehr für Cordula Strathmann freuen, wenn sie den Grimme Preis kriegt. Dann bleibt der Preis in der Familie.
Gibt es etwas, was Sie mit Pastewka und Strathmann verbindet?
Wir sind alle drei in der Kategorie Unterhaltung nominiert. Außerdem hat Cordula Strathmann ihre Rolle als Annemie Hülchrath ähnlich angelegt wie ich meine als Kurt Krömer. Wahrscheinlich wäre Annemie sogar die perfekte Traumfrau für Kurt Krömer. Und Pastewka, ja, der ist auch Komiker.
Cordula Strathmann hat sich als Annemie Hülchrath in der Comedy-Szene etabliert. Mittlerweile tritt sie aber nur noch selten als ihr Alter Ego auf. Möchten Sie irgendwann den Kurt Krömer auch nur noch aus dem Kleiderschrank holen, wenn es Ihnen passt?
Kurt Krömer ist eine Clownfigur. Das ist etwas anderes als ein Komiker, der eine komische Figur spielt. Deswegen ist dieser Kurt Krömer sehr dicht an mir selber dran. Es ist ja nicht so, dass ich unfreiwillig komisch bin und nicht weiß, warum die Leute lachen. Mein Vorbild ist Leo Bassi, dieser spanische Anarcho-Clown. Bassi sieht für mich immer aus wie einer von der CDU, wie ein kleiner Landtagsabgeordneter, der auf die Bühne kommt und losbrüllt. Man kann die Clownbrille auch abnehmen, aber das ändert nicht den Charakter. Ich kann das aber natürlich völlig weglassen.
So wie im vergangenen Jahr, als Sie im Berliner Hebbel-Theater einen Nazi gespielt haben, in dem Stück „1, 2, 3“?
Ja, da habe ich als Schauspieler agiert. Mir ist sehr lieb, wenn man das nicht sofort mit Kurt Krömer in Verbindung bringt.
Wie kam es zu dem Ausflug ans Theater? Hatten Sie keine Lust mehr auf Comedy?
Matthias Matschke …
… ein Schauspielkollege …
… beziehungsweise seine Frau hatte mich im Kookabura-Club gesehen. Da sagte sie zu ihrem Mann: „Mensch, kiek dir den mal an, der könnte da gut mitmachen.“ Dann ging das ratzfatz. Und ich war sofort Feuer und Flamme, im Hebbel-Theater zu spielen, einem eingespielten, guten Theater. Matschke und seine Frau sind etablierte Schauspieler, die ein bisschen von der Hochkultur wegwollen – und ich will weg von der Comedyrotze.
Ist damit ein geheimer Wunsch in Erfüllung gegangen, von der Comedybühne auf die Theaterbühne zu wechseln?
Auf jeden Fall. In Deutschland ist es für einen Komiker oder Clown sehr schwierig, auch als Schauspieler zu agieren. Nicht, weil die Zuschauer das nicht annehmen, sondern weil es bei den Intendanten oder Regisseuren nicht Klick macht. Im Hebbel-Theater hatten sie ganz große Angst, dass ich die Nazirolle mit Clownsschuhen und einer roten Nase anlege und zwischen den Akten noch einen Stand-up mache. Aber natürlich war das nicht so.
Sondern?
Ich habe mich richtig mit der Rolle beschäftigt. Es war für mich eine völlig neue Figur mit einem ganz anderen Lebenslauf. Von daher war es für mich ein Traum zu zeigen, dass das geht – auch den Feuilletons, die sonst nie über mich schreiben würden. Aus der Ulknudel Kurt Krömer wird ein halb Wahnsinniger, ein guter Schauspieler, was keiner gedacht hat.
Und wo soll das alles hinführen?
Mein Ziel wird es sein, Komik mit Schauspielerei zu verbinden. Vielleicht einen ganzen Abend inszenieren oder dass Kurt Krömer mal ein Drehbuch schreibt und das aufführt.
Sie haben auch mal an einer Schauspielschule hospitiert.
Ja, ich wollte tatsächlich eine Schauspielschule besuchen. Bevor ich mich bewerbe, wollte ich erst wissen, was mich da erwartet. Aber als ich das gesehen hab, war für mich der Ofen aus. Das war eine Privatschule, vielleicht war die auch einfach nur schlecht, ich weiß es nicht. Die haben sich zu ernst genommen – es wurde überhaupt nicht gelacht. Ich bin rausgeflogen, weil ich gelacht hab.
Sind Ihre Theaterambitionen jetzt eine späte Rache dafür, dass Ihnen diese Hospitanz überhaupt nicht gefallen hat?
Es ist ein Triumph für mich, doch im Theater gelandet zu sein, aber keine Rache. Weder an der Schauspiel- noch an der Comedyszene. Es kommt einfach eine Facette hinzu.
Gehen Sie selbst ins Theater?
Nee. Die Stücke, die ich in 30 Jahren gesehen habe, kann ich an einer Hand abzählen.
Erst letztens sind Sie auch an der Seite von zweifelhaften Gestalten wie Ingo Appelt oder Oliver Pocher in einer Show aufgetreten, die von Jürgen von der Lippe moderiert wurde. Kein Problem, sich da einzureihen?
Es war mir nur wichtig, Jürgen von der Lippe kennen zu lernen. Ich finde den seit Kind auf klasse. Ab und zu muss auch ich mich der breiteren Masse zeigen. Und da ist es für mich besser, zu Jürgen von der Lippe zu gehen, wo ich weiß, der verscheißert mich nicht. Ich hab zum zwölften Mal bei Stefan Raab abgesagt, weil ich sage, den möchte ich nicht kennen lernen. Ich bin zwar gegen die Privaten, also ich möchte da keine Sendung haben, aber ich kann ja mal reinschnuppern. Ich mache jetzt auch bei „Genial daneben“ mit.
Wo ziehen Sie die Grenze?
Solange ich nicht gleich eine Staffel am Hals habe mit zwölf Folgen, wo ich als öffentlich-rechtliche Pappnase ein privates Gesicht bekomme, mache ich das. Es ist ja nicht so, dass ich mich gegen kommerziellen Erfolg weigere. Mir geht’s nur darum, dass ich schön beim RBB bleibe und von dort aus versuche, in die ARD zu kommen. Das ist das Ziel für dieses und nächstes Jahr.
Was heißt für Sie heutzutage „öffentlich-rechtlich“?
Die Fernsehlandschaft hat sich so verändert in den letzten 20 Jahren, dass man heute nirgends mehr die Chance kriegt, sich auszuprobieren. Ich könnte zum Beispiel jederzeit zu Sat.1 gehen. Aber deutschlandweit bin ich nicht bekannt genug. Da kriege ich vielleicht eine Sendung, maximal zwei, und dann sind vielleicht die Einschaltquoten nicht so gut, weil sich Oma Frieda in Paderborn fragt: „Wer ist denn das? Ich will lieber den Oschmann sehen, jemanden, den ich kenne.“
Haben Sie etwas gegen Ihren Kollegen Ingo Oschmann?
Nein, das ist nur so ein Paradebeispiel. Ingo Oschmann steht in Deutschland für gute Stand-up-Comedy. Ich bin nur insofern öffentlich-rechtlich, als dass ich mir einfach sage, ich möchte das so machen wie damals Harpe Kerkeling oder Harald Schmidt, die beide angefangen haben, als es noch kein Privatfernsehen gab.
Weshalb ist dies Ihrer Meinung nach der bessere Weg?
Bei den Öffentlich-Rechtlichen kann ich mir viel mehr erlauben, viel mehr die Klappe aufmachen. Bei den Privaten wäre man da dauernd beschnitten, weil man an die Werbekunden denken muss. Ich freue mich jedes Mal, dass es in meiner Sendung keine Werbung gibt. Ich möchte die Show nutzen, um organisch zu wachsen, sodass mich ganz Deutschland kennt.
Kurt Krömer bricht ja seit Jahren eine Lanze für den Berliner Problemkiez Neukölln. Aber Arbeitslosigkeit oder Hartz IV kommen in Ihrem Programm nicht vor. Warum?
Ich fände es unverschämt, aus meiner Position heraus über Hartz IV zu reden. Ich hab mit Hartz IV nichts zu tun. Ich kann mich vielleicht hinstellen und sagen, es ist schlecht. Dann muss ich mich aber damit beschäftigen, warum es schlecht ist. Ich hacke ja auch nicht auf Minderheiten rum. Ich könnte vielleicht sagen, ich wünsche dem Herrn Clement die Arbeitslosigkeit an den Arsch, aber ich würde keine Geschichten von Leuten erzählen, die arbeitslos sind, und mich darüber lustig machen.
Gucken Neuköllner Ihre Show?
Ja, auf jeden Fall. Meine Show wird von der Zielgruppe geguckt, die ich mir selbst erarbeitet habe: von 8 bis 88 – da ist alles dabei. Mein Ziel ist, dass mein Programm alle angeht, dass es sich alle angucken. Mein Wunsch wäre es, 50 Prozent der klassischen Theaterbesucher zu kriegen und 50 Prozent der Leute, die nur Fernsehen gucken und gar nicht wissen, dass es Theater gibt. Viele wissen gar nicht, dass man live spielen kann. Die denken, das definiert sich alles übers Fernsehen.
Womit spricht die Figur Kurt Krömer so eine breite Zielgruppe an?
Ich habe mir Naivität bewahrt. Kurt Krömer ist ja nichts anderes als ein Sechsjähriger, der sich zu Weihnachten vor den Weihnachtsbaum stellt und ein Gedicht aufsagt und stottert und die Reime durcheinander bringt und den Rest vielleicht noch vergisst. So ein Kind würde man nicht ins Zimmer einsperren und sagen, ich möchte dich heute nicht mehr sehen.
Man würde es loben?
Man sagt: „Och, das hat mir aber gefallen, aus dir wird bestimmt mal ein Dichter!“ So ist es auch bei Kurt Krömer. Die Naivität ist so stark, dass sich da auch Kinder wiederfinden. Ich habe ganz viele Fans zwischen sechs und acht Jahren, die einige Sachen von Krömer zu Hause weiterführen, indem sie in ihrem Kinderzimmer stehen und schreien „Räum dein Zimmer auf, du Pottsau!!“ Oder Kinder, die anfangen zu berlinern, und die Mütter müssen zusehen, dass sie das wieder wegkriegen.
Dann hat Kurt Krömer aber ein Problem mit den Eltern, oder?
Er spielt damit, an Autoritäten zu kratzen. Das ist klasse für Kinder. Aber auch Erwachsene freuen sich, weil ja jeder irgendwie den Traum hat, ins Büro zu gehen und seinem Chef in den Arsch zu treten. Und Krömer macht das eben.