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Archiv-Artikel

Giuliana Sgrena: „Ich hörte den letzten Atemzug“

Die italienische Journalistin über ihre Fahrt zum Bagdader Flughafen:„Der Wagen setzte seine Fahrt fort, durch eine Unterführung voller Pfützen hindurch, und er kam fast ins Schleudern, als er ihnen auszuweichen suchte. Unglaublich, aber wir haben alle gelacht. Es war befreiend. In einer voll Wasser stehenden Straße in Bagdad ins Schleudern kommen und womöglich einen hässlichen Unfall bauen, nach allem, was ich durchgemacht hatte, das hätte man unmöglich erzählen können. Nicola Calipari setzte sich dann neben mich. Der Fahrer hat gleich zweimal in die Botschaft und auch nach Italien telefoniert, um mitzuteilen, dass wir auf dem Weg zum Flughafen waren, der, wie ich wusste, unter strengster Kontrolle der amerikanischen Truppen ist. Wir waren weniger als einen Kilometer entfernt, sagten sie mir, als … Ich erinnere mich bloß an Feuer. In jenem Moment ging ein Hagel von Feuer und Projektilen auf uns nieder und brachte für immer die gerade noch vergnügten Stimmen zum Schweigen. Der Fahrer begann zu schreien, dass wir Italiener sind, „wir sind Italiener, wir sind Italiener.“ Nicola Calipari warf sich auf mich, um mich zu schützen, und sofort, ich wiederhole, sofort hörte ich den letzten Atemzug von ihm, der in meinen Armen starb. Ich spürte wohl physischen Schmerz, und ich wusste nicht warum. Aber mich durchfuhr sofort ein Gedanke, ich erinnerte mich an die Worte meiner Entführer. Sie hatten erklärt, dass sie alles für meine Freilassung unternehmen würden, aber ich müsse aufpassen, „weil da noch die Amerikaner sind, die nicht wollen, dass du zurückkommst“.

Aus: il manifesto, 6. 3. 2005