: Gegen den Riesenstau
Arbeitsagentur versucht Arbeitslosenaufkommen mit neuem Telefonservice Herr zu werden. Friedensgespräch nach Krach im Hartz-IV-Ausschuss
von Eva Weikert
Rolf Steil hat eine Vision: Der Chef der Hamburger Arbeitsagentur träumt davon, dass Menschen, die ihren Job verlieren, für die Arbeitslosenmeldung nicht mehr persönlich in seinem Haus anrücken müssen. „Andere Länder machen das auch per Telefon, in Deutschland haben wir aber leider eine Misstrauenskultur“, sagte Steil gestern bei einem Presserundgang durch das neue telefonische Servicecenter der Agentur. Es ist der erste Baustein eines „Kundenzentrums“, zu dem sich das frühere Arbeitsamt modernisieren will.
Bisher, so berichtete Steil offenherzig, „kamen weniger als 50 Prozent der Anrufe bei uns dort an, wo sie sollten“. Weil die rund 110 Arbeitsvermittler direkt angewählt wurden, „bildete sich ein Riesenstau in unserer Telefonanlage“. Bringen soll das neue Telefonzentrum vor allem Entlastung für die Vermittler. „Ungestört von permanentem Telefonklingeln“ – so Servicecenter-Leiter Kai Kistenmacher – oder Meldungen zu Nebenverdiensten oder Adressänderungen sollen sie Jobsuchende „intensiver“ persönlich beraten können. „Wir wollen Ruhe in die Vermittlung reinbringen.“
Auch mit Nummernziehen und Schlangestehen sei es für die Joblosen bald so gut wie vorbei, versprach Kistenmachers Chef Steil: Der Telefonservice werde in naher Zukunft an die Arbeitssuchenden Termine für Vermittlungsgespräche vergeben.
Der neue Telefonservice nimmt seit Mitte Februar alle Kundenanrufe für die Geschäftsstellen Wandsbek und Mitte entgegen. Heute werden Altona und Nord zugeschaltet, bis 22. März folgen Harburg, Eimsbüttel und Bergedorf. Durch eine Rufumleitung bedarf es keiner Einheitstelefonnummer, sondern alle alten Nummern auf Bescheiden oder Briefen gelten weiter.
Bei komplizierteren Anliegen als etwa die Abmeldung in Arbeit, Fragen zu Auszahlungsterminen oder Urlaubsanträgen werde an die „Fachabteilungen weitervermittelt“, versicherte Steil. Zugleich betonte er, dass die rund 75 Mitarbeiter des Telefondienstes aus den Vermittlungs- und Leistungsabteilungen abgezogen wurden. „Das ist hier kein Callcenter“, so der Agenturchef, „und kein Billigangebot.“
Warteschleifen gebe es kaum, ergänzte Kistenmacher ebenfalls nicht ohne Stolz: 90 Prozent aller Anrufer hätten „innerhalb von 20 Sekunden“ einen Mitarbeiter an der Strippe. Zugleich seien auf den Schreibtischen der Arbeitsvermittler die Antragsrückstände geschrumpft. „Wir verbessern mit dem Telefonservice unseren Kundenkontakt“, freute sich Steil.
Damit hapert es indes bei der Arbeitsgemeinschaft (Arge) aus Agentur und Stadt, die sich seit dem Hartz IV-Arbeitsmarktgesetz um die Langzeitarbeitslosen und alle anderen Empfänger des neuen Arbeitslosengeldes II zu kümmern hat. Derzeit sind das 167.000 Menschen in der Stadt. Wie Waltraud Nörring vom Telefonservice der Arbeitsagentur mit Headset vor den Lippen berichtete, „bekommen wir hier zu spüren, dass die Arge nicht so gut erreichbar ist“. Ein Großteil ihrer Anrufer sei gar nicht Klientel der Agentur, die seit Hartz IV nur noch die rund 40.000 Hamburger Kurzzeitarbeitslosen betreut, sondern werde von ihr an die Arge weitervermittelt. „Von der wissen allerdings viele Betroffene gar nicht, dass es die gibt.“
Zuschnitt und Leistung der zum 1. Januar installierten Arge erörtert regelmäßig der Hartz-IV-Ausschuss der Bürgerschaft, in dem bis vor drei Wochen auch Agenturchef Steil saß. Nachdem er die Mitarbeit in dem Gremium zunächst aufgekündigt hatte, steht nun womöglich ein Friedensschluss an. Steil hatte sich von den Abgeordneten im Ausschuss zu stark kontrolliert gefühlt und mit der Begründung zurückgezogen, „dass Mitarbeiter einer Bundesbehörde beliebig vor Gremien der Stadt Hamburg auftreten, hat der Gesetzgeber nie gewollt“.
Ende der Woche trifft sich der Bundesbeamte nun mit den Arbeitsmarktpolitikern von CDU-, SPD- und GAL-Fraktion, die um ein Treffen gebeten hatten. „Ich kann heute nicht sagen, ob ich in den Ausschuss zurückkehre“, so Steil, der seine Forderungen an die städtische Politik gestern nicht preisgeben wollte, „aber ich gehe offen ins Gespräch.“