: Höllenengel schlagen zurück
ROCKERKRIEG Die Polizei Schleswig Holstein warnt weiterhin vor gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Motorradclubs Bandidos und Hells Angels. Erste Schüsse sind gefallen. Doch ein Verbot ist schwierig
Das Machtzentrum der Hells Angels wird in Norddeutschland in Kiel vermutet. Daneben gibt es diverse Ortsgruppen, die so genannten Chapters – unter anderem in Flensburg, Rendsburg, Neumünster und Lübeck.
■ In Hamburg, ihrem deutschen Gründungsort, sind die Hells Angels seit 20 Jahren verboten. Doch die Hamburger Mitglieder sind inzwischen im Chapter Harbour City organisiert, das nahe Hamburg im Mecklenburgischen liegt. Von dort aus sollen sie weiterhin Einfluss auf die Hamburger Rotlicht- und Türsteherszene haben. Die Polizei Hamburg geht von einer Mitgliederstärke im „niedrigen zweistelligen Bereich“ aus.
■ Noch im Februar gab es Gerüchte über einen intern ausgehandelten Friedensvertrag zwischen Hells Angels und Bandidos. Doch neben Schleswig-Holstein droht im traditionellen Konfliktraum Berlin-Brandenburg die Gewalt zu eskalieren. In den letzten Wochen kam es immer wieder zu schweren Schlägereien. (JV)
VON JOSEPH VARSCHEN
Auf ihrer Homepage sprechen die Hells Angels Klartext: „Jeder, der sich in der Motorradclubszene auskennt weiß, Schleswig Holstein und Hamburg ist traditionelles 81er Gebiet“, heißt es da. „Wer das nicht glaubt muss es fühlen.“
Die Zahl 81 steht für die Buchstaben HA wie „Hells Angels“, die sich momentan zum Kampf rüsten. Ihre Intimfeinde, die Bandidos, hatten im Frühjahr der Polizei per Fax angekündigt, in Schleswig Holstein aktiv zu werden – keine gute Nachricht für die Polizei: „Bislang wurde Schleswig Holstein von den Hells Angels maßgeblich beeinflusst“, sagt Stefan Jung, Sprecher des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein.
Etwa 100 Personen zählt die Polizei zur aktiven Rockerszene in Schleswig-Holstein. Den Hells Angels wird in Kiel das Bordell Eros Laufhaus, die Kneipe San-Si-Bar und ein Tätowierstudio zugeordnet. Außerdem soll der Motorradclub im Waffen- und Drogenhandel, Schutzgeld- und Türstehergeschäft und anderen fragwürdigen Tätigkeitsfeldern aktiv sein.
Bei ihrem Versuch, die Monopolstellung der Hells Angels im Norden aufzulösen, werden die Bandidos – Motto: „Expect no Mercy“, „Erwartet keine Gnade“ – vom Rockerclub Chicanos unterstützt. Die Hells Angels ihrerseits haben die Unterstützung der Red Devils.
Am 21. Juni um vier Uhr morgens fallen die ersten Schüsse: Vier Projektile durchschlagen das Wohnzimmerfenster eines Red Devil Mitglieds in Neumünster – eine Drohgebärde, es wird niemand verletzt. Die Hells Angels präsentieren sich vier Tage später auf einem Foto im Internet mit den Kutten der Chicanos, die sie trophäenartig vorführen. Die Lederjacke, in der Rockerszene „Kutte“ genannt, ist dem Biker heilig und wird bis zum Tod verteidigt.
Die Hells Angels veröffentlichen das Bild mit dem Hinweis, dass sich die Chicano-Ortsgruppen Kiel und Rendsburg aufgelöst hätten – aus Bikersicht eine unglaubliche Demütigung. Aus der Szene heißt es, dass Hells Angels massiv Druck auf die Bandidos-Sympathisanten ausgeübt hätten. Die Chicanos seien schließlich in die Kneipe San-Si-Bar nach Kiel beordert worden, um dort ihre Kutten abzugeben und sich von den Bandidos loszusagen.
Ein harter Schlag für die Bandidos, die im Norden außer den Chicanos kaum Verbündete haben. Zu allem Überfluss trat auch noch die Polizei auf den Plan. Spezialkräfte durchsuchten am vergangenen Wochenende elf Bandidos-Wohnungen in Neumünster, Kiel und Umgebung. Neben einer Machete und diversen Stichwaffen wurde auch eine Pistole und Munition sichergestellt.
Die Durchsuchungen seien Teil eines speziellen Einsatzkonzeptes der Polizei. „Die Polizei ist präsent und schreitet niederschwellig ein“, sagt LKA-Sprecher Jung. „Einsatzkräfte kontrollieren bei verstärktem Auftreten die Mitglieder der jeweiligen Motorradclubs.“ In der Staatsanwaltschaft laufen bereits zwei Dutzend Strafverfahren.
Dass der Machtkampf zwischen den verfeindeten Rockern noch weitaus heftiger werden könnte, zeigen die vergangenen Fehden zwischen Hells Angels und Bandidos. In den neunziger Jahren kamen in Dänemark neben Schusswaffen und Autobomben sogar Panzerabwehrraketen zum Einsatz. Die Rakete wurde damals auf ein Clubhaus der dänischen Hells abgefeuert, es gab mehrere Tote und Schwerverletzte.
Eine präventive Lösung könnte ein Verbot der Rockerclubs sein. Dafür müsse nachgewiesen werden, dass es sich um kriminelle Vereinigungen handele, sagte Detlev Zawadzki, Leiter der Abteilung für Organisierte Kriminalität beim LKA. Für ein Verbot, sagt der Sprecher des Kieler Innenministeriums, Thomas Giebeler, gelte: „Vereinsverbote spricht man aus oder man lässt es. In keinem Fall aber redet man vorher darüber öffentlich.“