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Archiv-Artikel

EU-Richtlinie wird zum Spaltpilz

In der Düsseldorfer Koalition verschärft sich der Streit um das Anti-Diskriminierungsgesetz (ADG). Die SPD befürchtet negative Auswirkungen auf die Wahl. Grüne: „Wir werden die Koalitionskarte ziehen“

VON ULLA JASPER

Zehn Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist von der viel beschworenen Einigkeit zwischen SPD und Grünen nicht mehr viel zu spüren. Aktueller Streitpunkt ist die Umsetzung der europäischen Anti-Diskriminierungsrichtlinie. Während Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) angekündigt hatte, dass die Landes-SPD den vorliegenden Gesetzentwurf im Bundesrat nicht akzeptieren werde, fordern die Grünen die Zustimmung zum Gesetz.

„Wir wollen ein modernes, pragmatisches Antidiskriminierungsgesetz, wie es der vorliegende Entwurf bietet“, so der nordrhein-westfälische Landesvorstand der Grünen. Für den Fall, dass die SPD die Verabschiedung des ADG im Bundesrat blockiert, kündigten die Grünen an, „die Koalitionskarte“ zu ziehen. Laut Koalitionsvertrag müsste sich das Land dann bei der Abstimmung in der Länderkammer enthalten – das sieht der Koalitionsvertrag vor, wenn die beiden Parteien sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen können. Die Haltung NRWs wird jedoch im Bundesrat nicht ausschlaggebend sein, da das Gesetz nicht zustimmungspflichtig ist.

Der Vorsitzende der Landes-SPD, Harald Schartau, hatte allerdings gestern in einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt, dass die Landes-SPD versuche, SPD-Bundestagsabgeordnete aus NRW zur Ablehnung des Gesetzesentwurfs zu bewegen. Als Grund nannte Schartau, dass das ADG der SPD im Landtagswahlkampf schaden könnte: „Die Befürchtung, dass durch Bürokratie die Chancen zu neuen Arbeitsplätzen nach unten gefahren werden, wird uns im Wahlkampf nicht helfen. Sie wird uns schaden.“

Das Gesetz dürfe „unter keinen Umständen“ das generelle Ziel, neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, aus dem Auge verlieren. „Deshalb setzen sich – angefangen beim Ministerpräsidenten über mich – alle Leute, die an dem Ziel arbeiten, neue Arbeitsplätze zu kriegen, auch vehement gegen ein Überziehen in diesem Gesetz ein“, so der Parteivorsitzende. Der vorliegende Entwurf müsse „noch ziemlich“ verändert werden. Für diese Einschätzung gibt es sogar Lob von der Opposition. Die kritisiert, dass der Entwurf über die Richtlinie der EU hinausgehe und dem Arbeitsmarkt „Fesseln anlegt“.

Die Grünen sehen hingegen nur wenig Änderungsbedarf. Umweltministerin Bärbel Höhn sagte zur taz, „wenn das Gesetz in einzelnen Punkten“ zu bürokratisch sei, dann könne man „darüber reden“. Grundsätzlich müsse die EU-Richtlinie jedoch umgesetzt werden – auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit. „Mich wundert, dass es jetzt diesen Konflikt gibt.“ Den arbeitsmarktpolitische Teil des Gesetzes habe schließlich das Bundesministerium für Arbeit selbst entworfen, so Höhn. „Warum ist die Kritik nicht vorher geäußert worden?“

Unterdessen bemühte sich ein Sprecher der Landesregierung, den Konflikt zwischen den Koalitionspartnern klein zu reden. Der Ministerpräsident habe nur erklärt, dass er gegen den jetzigen Entwurf Bedenken habe. Da die Europäische Union aber die Umsetzung der Richtlinie vorschreibe, sei man „gezwungen, etwas zu tun“.

Unterdessen schaltete sich auch das so genannte Betriebsräte-Forum, in dem sich die Arbeitnehmervertreter großer deutscher Unternehmen zusammengeschlossen haben, in die Debatte ein. Der Chef des Bayer-Betriebsrats, Erhard Gipperich, hatte zuvor die „wirtschaftsfeindliche“ Politik der Grünen kritisiert und gefordert, die „Grünen müssen raus aus der Regierung“.

Für Rot-Grün kommt diese Diskussion so kurz vor der Landtagswahl reichlich ungelegen. „Natürlich“ treffe sich Ministerpräsident Steinbrück auch regelmäßig mit den Betriebsräten. Von einer gemeinsamen Initiative der Arbeitnehmervertreter gegen die Grünen wisse man aber nichts, so ein Regierungssprecher. Ein klareres Bekenntnis zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik des grünen Koalitionspartners gab es in Düsseldorf jedoch nicht zu hören. Dort versuchte man den Eindruck zu vermitteln, dass solche Meinungsverschiedenheiten ganz normal seien. „Dass es Unterschiede zwischen den beiden Koalitionspartnern gibt, ist doch klar.“