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Archiv-Artikel

Haider startet Pogrome – bei sich selbst

Nach mehreren Wahlniederlagen wollte Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider die FPÖ zugunsten einer „Liste Jörg“ begraben. Stattdessen hat er nun den rechten Flügel aus der FPÖ entfernt. Die Amputation soll einen neuen Höhenflug möglich machen

AUS WIEN RALF LEONHARD

Die Freiheitliche Partei ist in der Asche versunken, eine „FPÖ neu“ ist in der Nacht auf Dienstag daraus aufgestiegen. Anlass zur Krisensitzung in Klagenfurt, auf der das passierte, war die deftige Schlappe der Partei bei den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, bei denen die FPÖ am Sonntag mehr als zwei Drittel ihrer Mandate verloren hatte und hinter die Grünen zurückfiel. In der „neuen“ FPÖ hat nun eine konsensorientierte Mannschaft das Sagen. Der rebellische nationale Flügel, der erst im Sommer an Einfluss gewonnen hatte, darf nicht mehr mitreden.

Jörg Haider hat viele seiner ehemaligen Kofferträger, die ihre rechtsextremen Ideen umgesetzt sehen wollen, nach und nach verstoßen. „Wäre ich entscheidungsbefugt, ich tät’ die FPÖ neu gründen“, verkündete er am Montag vor der Sitzung. Gerüchte, dass er sich mit einer eigenen „Liste Jörg“ absetzen wolle, dementierte er nicht. Die Sitzung, so Reporter, habe deswegen so lange gedauert, weil Jörg Haider sich für vier Stunden verabschiedete, um an einem Tourismussymposium teilzunehmen. In dieser Zeit sei nur unverbindlich geplaudert worden.

Das schlechte Abschneiden der FPÖ in allen Wahlen außer in Kärnten, wo Haider vor einem Jahr als Landeshauptmann bestätigt worden ist, führt die Parteiführung auf die ständigen Querschüsse des rechtsextremen Flügels zurück. Ständig macht irgendein mittlerer Funktionär Radau und droht mit einem Aufstand gegen Pläne des großen Koalitionspartners ÖVP, und dann müssen die FPÖ-Regierungsmitglieder zurückrudern und machen dabei eine unglückliche Figur. Gegenüber den Alleingängen einer immer selbstherrlicher regierenden ÖVP sind sie machtlos. Zwar jammern sie immer wieder, dass ihre Erfolge als jene der ÖVP verkauft würden und nur die unpopulären Maßnahmen an den Freiheitlichen hängen blieben. Doch vor der einzig logischen Konsequenz, nämlich die Koalition platzen zu lassen und damit Neuwahlen zu provozieren, schreckt man zurück. Denn der große Verlierer wäre einmal mehr die FPÖ.

Zuletzt hatte der Wiener Parteiobmann Hans-Christian Strache einen Misstrauensantrag gegen ÖVP-Innenministerin Liese Prokop angedroht. Ihm gehen die von der ÖVP geplanten Verschärfungen von Asyl- und Fremdenrecht nicht weit genug. Außerdem hatte sich Prokop in einem Pressegespräch als Großkoalitionärin geoutet, also als Anhängerin einer Zusammenarbeit mit der SPÖ. „Man soll die Hand, die einen füttert, nicht beißen“, wetterte Strache.

Strache wurde jetzt aus dem FPÖ-Bundesparteivorstand geworfen. Mit ihm gingen auch der einzige EU-Abgeordnete der FPÖ, Andreas Mölzer, und der Leiter der Parteiakademie, Ewald Stadler, beide ausgewiesene Rechtsausleger. Nach eigener Darstellung sind die Hinausgesäuberten allerdings freiwillig gegangen. Nachdem Ursula Haubner mehrere Stunden lang ihren Rücktritt als Parteichefin angekündigt hatte und Jörg Haider dauernd von einer Parteineugründung sprach, „bin ich freiwillig aus dem Spitzengremium der FPÖ ausgeschieden“, so Stadler. Er erwarte jetzt „Wahlerfolge am laufenden Band“. Mölzer, der an der Sitzung gar nicht teilgenommen hatte, zeigte sich gestern „nicht unfroh“ über seinen Rauswurf. So sei er der Pflicht enthoben, die Entscheidungen der Parteiführung mitzutragen. Und Strache will sich auf „den eigenständigen Weg der Wiener FPÖ zurückziehen“. In Wien versucht die FPÖ mit Ausländer-raus-Parolen zu punkten.

Der Politologe Peter Filzmaier ist nicht davon überzeugt, dass der Abwärtstrend der Freiheitlichen jetzt gebremst werden kann. Er schätzt die national orientierte Klientel auf 5 bis 10 Prozent ein: „Das ist der einzige Bereich, wo sich die FPÖ ohne Konkurrenz positionieren kann.“ Ob der Versuch der Neuorientierung bessere Früchte trägt, könnte sich schon am kommenden Sonntag zeigen: Da wird in den Gemeinden der Steiermark gewählt.