: Weiter Zwist um Stabilitätspakt
Reformvorschläge von EU-Ratspräsident Juncker ohne Konsens. Sonderbelastungen, die das Defizitverfahren berücksichtigen soll, bleiben umstritten. Reform droht Aus
BRÜSSEL taz ■ Als einiges Paar, das sich einem Wust diffuser Sonderwünsche gegenübersieht, traten EU-Währungskommissar Almunia und Luxemburgs Premier Claude Juncker, derzeit EU-Ratspräsident, gestern in Brüssel vor die Presse. „Wir beide waren nicht allein – was das Vergnügen erheblich vergrößert hat“, so Juncker süffisant. Nach einer Diskussion im Kreis der 25 EU-Finanzminister schätze er die Chancen für eine Reform des Stabilitätspaktes geringer ein als in der Nacht zuvor im Kreis der zwölf Euroländer.
Dort war Junckers vierzehnseitiger Reformvorschlag offensichtlich positiv aufgenommen worden. Nur die Liste derjenigen Sonderbelastungen, die als „außergewöhnliche Faktoren“ gelten sollen, blieb bis nachts um drei umstritten. Diese Faktoren werden in allgemeiner Form im EU-Vertrag erwähnt. Sie sind deshalb ebenso wie die 3-Prozent-Klausel für die Neuverschuldung Vertragsbestandteil und könnten nur in einer Vertragsreform geändert werden. Der neue Verfassungsvertrag hat die Formulierungen aber unverändert wieder aufgenommen.
Der spanische Währungskommissar machte gestern nochmals deutlich, dass der Spielraum für eine Reform des Stabilitätspaktes deshalb denkbar gering ist. „Die Kommission kann keine Formulierungen vorschlagen, die dem Vertragstext zuwiderlaufen würden“, sagte Almunia. Der entsprechende Vertragsartikel erlaube es, Aspekte der wirtschaftlichen Vernunft in die Beurteilung eines Defizits einzubeziehen. An der Haushaltsdisziplin als grundlegendem Ziel dürfe aber nicht gerüttelt werden. Die Neuverschuldung dürfe daher nur für einen kurzen Zeitraum geringfügig über 3 Prozent liegen.
Im Ministerrat gebe es derzeit einen tiefen Bruch zwischen denjenigen, die gar nichts ändern wollten, um den Ruf des Euro nicht zu schädigen, und denen, die bei der Reform sehr weit gehen wollten, sagte Juncker. „In dieser Gemengelage ist es schwer, den Durchblick zu behalten.“ Er deutete erstmals an, dass die Reform auch scheitern könnte. Seit Beginn seiner Präsidentschaft hatte er das Ziel stets für realistisch erklärt, den Pakt bis zum Gipfel Ende März zu verbessern. DANIELA WEINGÄRTNER
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