berliner szenen Kreuzberger Nächte

Im Goldenen Hahn

Ein gewöhnlicher Sonnabend in Berlin-Kreuzberg: Draußen herrschte nordische Kälte; auf der Skalitzer fiel Schnee. Man sah zu, schnell in die verabredeten Orte zu kommen. Nicht unbedingt ins Eiszeit-Kino, aber in ein Wärme versprechendes Etablissement. In ein Restaurant vielleicht. Oder in ein Café.

Oder in den „Goldenen Hahn“. Das ist ein als normale Bar getarnter Italiener in der Pücklerstraße. Mit Schaufensterblick auf die Markthalle. Etwas posh, aber durchaus mit Qualitäten. Als wir reinkamen, roch es vielversprechend nach italienischen Speisen; auf dem Tresen stand einer von zwei Plattenspielern, einer der beiden Wirte gab den DJ und legte elektronische Musik auf, die sich später in Gitarrenmusik verwandeln sollte: die Pixies, der Gun Club, die Gang of Four.

Ein Ort zum Wohlfühlen also. Das Bier war kalt, die Musik gut, die anderen Gäste angenehm uninteressant. Bis plötzlich zwei Großraumtaxen vorfuhren und eine Fracht entluden, die sich als äußerst feierlaunig entpuppte. Mit viel Getöse fielen sie in den Hahn ein und orderten Schampus. Woher diese neue Generation Spaßterroristen kam, blieb fraglich: Fand in der Stadt schon wieder eine Modemesse statt?

Jedenfalls wurde es sehr laut im Hahn und die Toiletten waren ständig besetzt. Nach einer Weile begannen die Frauen, sich hinter dem Türvorhang für einen Kurzstriptease auszuziehen: Vorhang auf, Brüste zeigen, Vorhang wieder zu. Gejohle im Ladenrest.

Als es dann überhaupt nicht mehr möglich war, die Toiletten aufzusuchen, flüchteten wir in die Markthalle. Dort herrschte Feierabendruhe. Bis kurz nach uns ein Zehnertrupp Spätkarnevalisten hereinkam. Wir zogen dann weiter in die Waldohreule. Da wurde es dann ganz lustig.

RENÉ HAMANN