„Panne“: Rot-Grün verliert im Parlament

Regierungsfraktionen bringen bei Abstimmung über Frauenpolitik keine Mehrheit zustande. Schadenfreude bei der Union über „Disziplinlosigkeit“ und „Auflösungsprozess“ der Koalition. Grüne geben SPD die Schuld, dass zu wenig eigene Leute da waren

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Es sollte ein schönes Zeichen sein. Zwei Tage nach dem Weltfrauentag beschäftigte sich der Bundestag gestern mit dem Thema „Geschlechtergerechtigkeit“. Wie üblich bei solchen Gelegenheiten beteuerten RednerInnen aller Fraktionen, dass sie sich natürlich ganz engagiert um die Frauen und ihre Gleichstellung kümmern. So weit, so unaufregend – fanden jedenfalls viele Abgeordnete der rot-grünen Koalition. Sie gingen lieber Kaffee trinken oder erledigten andere Dinge, die ihnen wichtiger erschienen als die Frauenpolitik-Debatte. Das sollte sich rächen.

Als am Ende abgestimmt wurde, hatte die Regierung keine Mehrheit. Die Opposition war in der Überzahl und freute sich über eine „schwere Niederlage“ für Rot-Grün, die „den Zustand der Koalition schlagartig beleuchtet“. Fakt ist: Weil nicht genug eigene Leute da waren, verlor Rot-Grün erstmals in dieser Legislaturperiode eine Abstimmung. Anders als geplant konnte ein Antrag der Union zur Frauenpolitik nicht, wie üblich, abgelehnt werden. Peinlich genug, weil diese Niederlage der Union die Gelegenheit gab, über die „Disziplinlosigkeit“ und „die Zerfallstendenzen von Rot-Grün“ zu lästern. Noch peinlicher: In dem Antrag hatte die Union die Regierung unter anderem aufgefordert, „der Gleichstellungspolitik einen höheren Stellenwert beizumessen und sie nicht länger als Nischenpolitik, sondern als zentrales Element sowohl von Gesellschafts- als auch von Wirtschaftspolitik zu begreifen“.

Dass ausgerechnet bei der Abstimmung zu diesem Antrag einige Grüne und noch mehr Sozialdemokraten fehlten, weckt Erinnerungen an den legendären Ausspruch von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Frauenpolitik sei nur „Gedöns“. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, versuchte sich denn auch sogleich in Schadensbegrenzung. Die Behauptung der Union, ihr Antrag sei durch die gescheiterte Ablehnung automatisch angenommen worden, sei falsch. Lediglich die rot-grüne Beschlussempfehlung, den Antrag abzulehnen, habe keine Mehrheit gefunden. „Der Antrag selbst wurde nicht zur Abstimmung gestellt“, betonte Beck und bekam im Ältestenrat auch von der FDP Recht. Die Union habe es versäumt, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihren Antrag durchzubringen, tröstete sich der grüne Fraktionsmanager. Seine betont lockere Bilanz: „Also: Nix beschlossen, nicht viel passiert.“

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, sagte der taz: „Da ist einfach ein Fehler passiert.“ Man habe den Umstand unterschätzt, dass die Reihen in der Unionsfraktion wegen der kurz darauf anstehenden Rede von Parteichefin Angela Merkel über ihren „Pakt für Deutschland“ schon am Ende der Frauendebatte „überplanmäßig gut besetzt“ gewesen seien. „Bei uns haben nicht genug Leute realisiert, dass noch eine strittige Abstimmung anstand“, so Schewe-Gerigk. Durch die Niederlage sei jedoch „kein großer politischer Schaden entstanden“. Schließlich enthalte der Unionsantrag „viele Forderungen, die so allgemein sind, dass wir sie in dieser Allgemeinheit auch unterstützen“.

Andere Grüne gaben dem großen Koalitionspartner die Schuld. „Die SPD hat nicht ordentlich mobilisiert“, sagte der Abgeordnete Markus Kurth der taz. Dass vor allem bei den Sozialdemokraten Abgeordnete fehlten, sei zwar sicher „keine Absicht“ gewesen, aber „sie waren zu lahm“. Aus der SPD hieß es kleinlaut, die „Panne“ habe an einer „Verkettung unglücklicher Umstände“ gelegen.