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Archiv-Artikel

Wir sind die Zukunftsfähigkeit

Eine große Koalition von Polizei-Anwärtern bis Kita-Mitarbeitern drängt darauf, bei den Spar-Verhandlungen am Sonntag ungeschoren davonzukommen. Gemeinsames Argument: der eigene Beitrag zur „Zukunftsfähigkeit“ Bremens

Bremen taz ■ Zwei Tage vor der großen Streichrunde des Koalitionsausschusses im Bremer Rathaus haben am Freitag an die 300 PolizistInnen sowie – im Anschluss daran – etwa genauso viele Kita-Angestellte, Eltern und Kinder auf dem Marktplatz gegen die geplanten Einschnitte in ihrem Bereich demonstriert. Auch die Hochschul-Rektoren, die Touristik-Zentrale, die Rennbahn und die Agab (siehe neben- und untenstehenden Text) warnten vor Einsparungen in ihrem Bereich. Vertreter der städtischen, evangelischen und freien Kindertagesstätten kündigten an, die Koalitionäre von SPD und CDU zu Beginn der Spar-Sitzung am Sonntagmorgen um halb zehn vor dem Rathaus zu empfangen. Für Montag haben die Gewerkschaft der Polizei (GdP), Ver.di, und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu Warnstreiks und um 12 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen.

Von den Kürzungsplänen der großen Koalition fühle er sich schlicht „verarscht“, rief ein Polizist in spe ins Mikrofon. Als einziges Bundesland habe Bremen vor Jahren versprochen, alle Polizeianwärter auch zu übernehmen. Er sei deswegen extra von Berlin an die Weser gezogen. Nun solle diese Zusage auf einmal nicht mehr gelten. Nach der Ausbildung würden er und seine KommilitonInnen ohne Job dastehen. „Das ist in Berlin schon seit Jahren so“, sagte er. Und: „Es ärgert mich, dass ich nach Bremen gegangen bin.“

„Wir haben Interesse an dieser Stadt“, rief wenig später der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung der evangelischen Kitas, Christian Gloede-Noweck, in dasselbe Mikrofon: „Sonst wären wir längst alle weg.“ Wie die Polizisten kritisierte er die bisherige Investitionspolitik des Bremer Senats. Dieser habe Millionen in teure Großprojekte gesteckt und „nicht begriffen, dass Kitas und Schulen die wahren Großprojekte sind“. Es sei ein Glück, dass Bremens Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2010 gescheitert sei, sagte er. Diese hätte nur noch mehr knappes Geld verschlungen.

Rainer Müller, Personalratschef im Amt für soziale Dienste und damit für die städtischen Kitas zuständig, ging noch einen Schritt weiter. Nicht nur das Projekt Kulturhauptstadt, sondern auch kostspielige Events wie der evangelische Kirchentag und Chorfestivals seien angesichts der Haushaltslage nicht zu rechtfertigen, „jedenfalls nicht, solange die notwendigen Leistungen für Kinder und Familien fehlen“. Bremen belege bundesweit den letzten Platz bei Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung. Völlig fehl am Platz seien daher auch zweistellige Millionenbeträge „für einen bankrotten Space Park“, gleichfalls gut verzichten könne Bremen auf eine „neue Rennbahn für Damen und Herren mit Hüten“.

Die fünf Millionen Euro, die Bremen jedes Jahr bei den Kitas sparen wolle, bedeuteten 1.000 bis 1.400 Ganztags-Plätze weniger, bis zu 200 ErzieherInnen verlören ihren Arbeitsplatz, sagte Müller. Es sei nicht hinzunehmen, dass Eltern im Gegenzug jetzt höhere Beiträge zahlen und zudem noch selbst in den Kitas arbeiten sollten. Müller erinnerte in diesem Zusammenhang an den Koalitionsvertrag. SPD und CDU hätten sich darin für Zweitkräfte in den Kita-Gruppen, für eine bessere Qualifizierung der KindergärtnerInnen und für ein besseres Angebot an Kitaplätzen ausgesprochen. „Wer das will, darf nicht kürzen, sondern muss zulegen“, forderte er.

Die Bremer Hochschul-Rektoren wiesen gestern auf die in ihren Augen herausragende Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für die „Zukunftsfähigkeit“ des Landes hin. Die Entscheidung, Bremen zum Wissenschaftsstandort zu entwickeln, dürfe nicht in Frage gestellt werden, betonen die Rektoren mit Blick auf die knappen Kassen. Zu weiteren Investitionen im Bereich Wissenschaft gebe es „keine Alternative“. Armin Simon