: Westfalenhalle nach Köln verlegt
Der VfL Gummersbach zieht ins Halbfinale des Europapokals ein und feiert den größten Erfolg seit 13 Jahren. Atmosphäre in der Kölnarena erinnerte an Vergangenheit. Verein arbeitet an Comeback
AUS DER KÖLNARENAERIK EGGERS
Gute vier Minuten noch zeigte die Uhr, als die erlösende Szene nahte im dramatischen Handballspiel zwischen dem VfL Gummersbach und den Ungarn von Dunaferr SE. Steiner Ege, der mit 15 Paraden überragende Mann beim deutschen Rekordmeister, hatte erneut einen sensationellen Reflex gezeigt und einen schweren Ball gehalten, und sofort leitete der Norweger gedankenschnell den entscheidenden Konter ein; spielte zu seinem Kapitän Francois-Xavier Houlet, der wiederum leitete weiter zum förmlich davonfliegenden Modellathleten Daniel Narcisse. Dieser sehenswerte Tempogegenstoß zum 28:20 entschied das Viertelfinale im EHF-Pokal. Die 14.474 Zuschauer standen nun auf und feierten die Mannschaft bis zur Schluss-Sirene mit stehenden Ovationen. Am Ende gewann Gummersbach verdient mit 30:21 (13:9)-Toren und hatte damit die 30:35-Niederlage aus dem Hinspiel wettgemacht.
Angesichts der famosen Atmosphäre in der Kölnarena fühlte sich nicht nur Uwe Braunschweig „an die große Stimmung in der Westfalenhalle erinnert“, wo der VfL zwischen 1967 und 1983 viele Titel gefeiert hatte – der VfL-Manager gilt als verlässlicher Zeuge, war er doch als Spieler an den Erfolgen der Oberberger beteiligt gewesen. Doch hatte der größte Erfolg seit 1992, als der Klub im Achtelfinale des Meistercups gegen Elektromos Budapest ausgeschieden war, lange Zeit stark in Frage gestanden. Zwar präsentierten sich die Ungarn keineswegs als europäische Spitzenmannschaft; gehandicapt durch den Ausfall des serbischen Rückraumstars Krivokapics kam die körperlich krass unterlegene Tabellenzweite der ungarischen Liga in Halbzeit Eins zu lediglich zwei Rückraumtoren. Die Abwehr der Blau-Weißen stand, und beim 13:7 durch einen Tempogegenstoß von Fog (27.) schien die Partie bereits vorentschieden. Doch drei Fahrkarten in klaren Situationen durch Mierzwa und Burdet und ein vergebener Siebenmeter von Yoon machten die Angelegenheit wieder spannend.
„Nach der Pause ging es weiter darum, die Deckung stabil zu halten“, erklärte VfL-Coach Richard Ratka. Doch beim Stand von 15:14 (37.) schaute der VfL bereits in den Abgrund. Zu diesem Zeitpunkt wirkte nicht nur die Defensive extrem konfus – Dunaferr waren unter anderem zwei Tore in Unterzahl gelungen. Auch der eigene Rückraum, der ohne Frank von Behren (Muskelprobleme) auskommen musste, spielte in dieser Phase „langsam wie die Schnecken“, wie Ivan Lapcevic später selbstkritisch anmerkte. Es drohte das Ausscheiden. Doch dann „hat sich unsere Kraft durchgesetzt“, sagte Kapitän Houlet, selbst haarsträubende Fehler wie ein Fußspiel von Yoon beim Stand von 25:20 (53.) rächten sich nicht mehr. Die junge ungarische Mannschaft rannte sich nun immer wieder fest in der engagierten VfL-Abwehr, nach Ballverlusten kam der Gastgeber zu leichten Toren. „Wir haben endlich mal wieder richtig gekämpft und uns in der Abwehr viele Bälle geholt“, nannte Linksaußen Alexander Mierzwa das Erfolgsrezept. „Wir haben sie konditionell kaputt gekriegt“, befand auch Trainer Ratka.
Zumindest bis zum Halbfinale Anfang April (Auslosung am Dienstag in Wien), wird 40-Jährige wieder etwas ruhiger arbeiten können. Nachdem der VfL das erklärte Saisonziel in der Liga – Platz Drei und die Champions League-Teilnahme – früh verfehlt hat und als Tabellensiebter sogar um einen Europapokalplatz bangen muss, war Ratka in die Kritik geraten: Der teure Kader biete spielerisch zu wenig, lautete der nicht unberechtigte Generalvorwurf. Atmosphärisch dichte Abende wie am Samstag übertünchen diese mangelnde Qualität freilich – und ein Titel im EHF-Pokal, es wäre der erste seit 1983, würde die schlechte Liga-Ergebnisse gar ganz vergessen lassen.