: Enkel mit viel Taschengeld
Die freien Fernsehproduzenten wettern dagegen an, wie ARD und ZDF ihre Produktionsfirmen finanzieren. Die EU-Kommission scheint dabei auf ihrer Seite zu sein – sie vermutet Quersubvention
VON WILFRIED URBE
Öffentlich-rechtliche Rundfunkgebühren fürs RTL-Movie „Die Bullenbraut“? Zugespitzt ist dies die Frage, um die sich die aktuelle Auseinandersetzung von ARD und ZDF mit der EU-Kommission nun dreht. Stand zunächst das gesamte öffentlich-rechtliche Gebührensystem zur Diskussion – könnte es sich dabei um nach EU-Recht unzulässige staatliche Beihilfen handeln? –, ist nun ein Teilaspekt des deutschen Modells in den Mittelpunkt der Kritik geraten: die Finanzierung von Tochterunternehmen wie Studio Hamburg oder Bavaria. Das ist das Ergebnis des Briefs, den die EU-Kommission Anfang März an die Bundesregierung schickte.
Ein Großteil der Produktionsaufträge, die öffentlich-rechtliche Sender zu vergeben haben, geht an assoziierte Produktionsfirmen. Kritiker sprechen deshalb von einer Monopolisierung in der deutschen Produktionslandschaft. Bei der Bavaria-Gruppe beispielsweise arbeiten über 1.500 Mitarbeiter, die „Gesamtleistung“ im Geschäftsjahr 2003/2004 betrug über 290 Millionen Euro. Diese Unternehmenstöchter – die eigentlich „Enkel“ sind, weil sie zu den Werbetöchtern der Sender gehören – haben die Vorgabe, sich marktwirtschaftlich zu verhalten. Insofern können und sollen sie auch für private Sender arbeiten – und machen das auch: Studio Hamburg produziert neben dem „Großstadtrevier“ (ARD) zum Beispiel auch den RTL-Fernsehfilm „Die Bullenbraut“ mit Gaby Köster. Andererseits haben manche dieser Firmen die Garantie, dass etwaige Verluste von ihren öffentlich-rechtlichen Auftragsgebern ausgeglichen werden. Eine Übersicht, ob und wie viel Geld dabei verloren wird, musste bisher nicht veröffentlicht werden. Und so hegt die EU-Kommission den Verdacht der unerlaubten Quersubventionierung durch Rundfunkgebühren.
Doch nicht nur das wird Bavaria, Colonia und Co vorgeworfen. Die meisten freien Produzenten sind der Überzeugung, dass Aufträge der Mutterhäuser an die Produktionsgiganten aus finanziellen und nicht aus inhaltlichen Gründen vergeben werden. „Die Beauftragung der Produktionstöchter ist wettbewerbsverzerrend, Produzenten, die frei am Markt agieren, haben wohl kaum die Möglichkeit, so wie Bavaria Television ein Büro in Italien einzurichten“, klagt ein Produzent und spricht damit für viele seiner Kollegen. „Die Sender sollen endlich mal offen legen, wie viele Aufträge sie wirklich an diese Unternehmen rausgeben.“
Ob es jetzt zu mehr Offenheit kommt, wird in der Branche mit Spannung erwartet. Die Hoffnung: bessere Chancen durch einen freieren Markt.
Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), der 2003 mit seiner Beschwerde bei der EU den Stein ins Rollen brachte, hofft, dass am Ende der Auseinandersetzung ein klareres Profil von ARD und ZDF steht. VPRT-Chef Jürgen Doetz, befürchtet, dass die Sender nur zu einem Minimum an Zugeständnissen bereit sind, aber: „Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, dass ihr vage und wenig konkrete Selbstverpflichtungen nicht ausreichen werden, um den wettbewerblichen Bedenken zu begegnen. Wahrscheinlich werden ARD und ZDF um eine getrennte Buchführung zwischen kommerziellen und gemeinfinanzierten Angeboten nicht umhinkommen.“
Für NRW-Medienstaatssekretärin Miriam Meckel hat der EU-Brief vor allem ein wichtiges Ergebnis gebracht: „Klar ist, die EU-Kommission stellt die Rundfunkkompetenz der Mitgliedstaaten nicht in Frage.“ Eine Infragestellung des gesamten Systems, so wie es vorher vermutet wurde, ist jetzt wohl vom Tisch. Aber wie geht es weiter? Wird sich überhaupt etwas ändern? „Ich glaube, dass wir uns einigen können“, sagt Meckel, „so ist das Thema Transparenz in den Gebühren aus meiner Sicht lösbar.“ Einige Anstalten, darunter der WDR, haben bereits Verhandlungsbereitschaft signalisiert. In der Produzentenlandschaft hingegen ist man sich sicher, dass nur Reformen aus Brüssel Abhilfe schaffen können: Die zuständigen deutschen Landespolitiker seien so sehr auf die Berichterstattung in „ihren“ öffentlich-rechtlichen Dritten angewiesen, dass sie keinen Druck auf ARD ausüben würden.