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Archiv-Artikel

Der SSW wird in Schleswig-Holstein mehr als nur ein Nickdackel sein Neues nordisches Miteinander

Drei Wochen verhandelten in Schleswig-Holstein Sozialdemokraten, Grüne und SSW-Vertreter, und heraus kamen zwei Papiere, aus denen eine neue Regierung wachsen soll: ein rot-grüner Koalitionsvertrag und ein Tolerierungsvertrag mit der dänischen und friesischen Minderheit.

Die Verträge tragen skandinavische Züge. Die Form der geduldeten Minderheitsregierung stammt aus dem Norden, auch inhaltlich hat der SSW seinen Stempel aufgedrückt. Unter anderem geht es um eine Reform der Ämter und Kreise, ein Aufregerthema im Land. Überregional spannender sind andere Punkte: Der SSW, der gegen die Hartz-IV-Reformen stimmte, hat durchgesetzt, dass jeder Arbeitslose vor Ablauf eines Jahres, also noch im Vor-Hartz, Arbeit oder ein Fortbildungsangebot erhält. Wie das umzusetzen sein soll, falls die neue Regierung keine Zauberer beschäftigt, ist ein Geheimnis. Bestenfalls wird das Land subventionierte Stellen schaffen, die nicht „Ein- Euro-Job“ heißen, aber ähnlich aussehen. Nicht gelungen ist der große Wurf einer Schulreform, die eigentlich alle drei Parteien wollten: Statt flächendeckend verbindlich wird die Gemeinschaftsschule nur eine unter vielen sein und soll sich langsam durchsetzen.

Ministerpräsidentin Heide Simonis verspricht, ihre Regierung werde stabil sein, Garant sei der Tolerierungsvertrag. Der SSW weist gern darauf hin, dass es keinen Automatismus bei Abstimmungen gibt und dass das nicht die schlechteste Lösung sei: Die knappe Mehrheit kann zu einem neuen parlamentarischen Miteinander führen.

Dass der SSW nicht nur den Nickdackel spielen will, haben die Verhandlungen gezeigt. Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert – weitermachen wie bisher geht nicht. Alle Verhandlungspartner verkaufen das als Sieg, als ersten Schritt zum bitter nötigen Aufbruch. Hoffentlich meinen Rot und Grün das ehrlich: Denn nur dieses Wissen kann die rot-grün-blaue Gemeinschaft zusammenschweißen gegen die Steine, die ihr in den Weg geworfen werden. Wenn aber das neue Regierungs-Baby schnell laufen lernt, erkennen die Gegner vielleicht, welche Vorteile das Tolerierungsmodell für alle hat. ESTHER GEISSLINGER