: Das Handy soll gläsern werden
Bundesregierung verhandelt mit Telefonfirmen über Vorratsspeicherung von Kommunikation. Um die Terrorfahndung zu erleichtern, sollen künftig Handy-, SMS- und E-Mail-Daten aller EU-Bürger bis zu ein Jahr lang zentral gespeichert werden
VON CHRISTIAN RATH
Sogar die Bild-Zeitung macht sich jetzt Sorgen um die Bürgerrechte. „Kommt jetzt die totale Überwachung?“, titelte sie in ihrer Sonntagsausgabe. Wie Innenminister Otto Schily (SPD) auf der Computermesse Cebit bestätigte, will die Bundesregierung Telefon- und Internetdaten künftig zwölf Monate lang speichern lassen. Entsprechende Verhandlungen mit den Telefonunternehmen seien aber „noch nicht am Ende“.
Hintergrund der Gespräche sind Pläne auf EU-Ebene. Dort wird gerade ein „Rahmenbeschluss über die Vorratsspeicherung von Daten“ diskutiert. Bis zu drei Jahre sollen die Verbindungsdaten von den Telefonfirmen künftig gespeichert werden, um sie bei Bedarf für die Strafverfolgung etwa gegen Terroristen und Kindesmissbraucher nutzen zu können. Nicht gespeichert würde allerdings der Inhalt von Telefongesprächen, SMS und E-Mails. Ersichtlich wäre nur, wer mit wem wann telefoniert oder gemailt hat.
Nach Angaben des Justizministeriums machen sich vor allem England, Frankreich, Irland und Schweden für die Pläne stark. Doch weil es in vielen Ländern Widerstand gibt, hat der Rat der Justiz- und Innenminister 2004 beschlossen, zunächst eine Arbeitsgruppe einzurichten. Sie soll nun klären, unter welchen Bedingungen die Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger und in wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Telekomfirmen noch verhältnismäßig ist.
Die Kritik der Telekomfirmen ist sogar noch größer als die von Datenschützern. Sie müssten gewaltige zusätzliche Speicherkapazitäten aufbauen, was auch mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Die Verhandlungen der beiden Minister sollen nun wohl die Chancen für einen Kompromiss mit den Telekomfirmen ausloten. Dabei dürfte es auch um Kompensationszahlungen an die Unternehmen gehen.
In Deutschland ist die Politik bisher gespalten. Innenminister Otto Schily und Landesminister wie Günther Beckstein (CSU) sind für das EU-Vorhaben, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zählt zu den KritikerInnen. Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags sprach sich gegen die Massenspeicherung aus.
Bisher werden die Verbindungsdaten in Deutschland nur sechs Monate aufbewahrt, um bei Beschwerden eine Kontrolle der Telefonrechnung zu ermöglichen. Auf diese Daten kann auch die Polizei auf richterlichen Beschluss zugreifen.