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Archiv-Artikel

Viel Geld für gläsernes Telefon

Die Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten würde bei Providern hohe Kosten verursachen, die sie vom Staat wiederhaben wollen. Gesprächsinhalte bleiben geheim

„Wir müssten dafür erst mal die technischen Möglichkeiten schaffen“

FREIBURG taz ■ Eine umfassende Vorratsspeicherung von Telekomdaten könnte für den Staat teuer werden. Der Telekom-Branchenverband Bitkom fordert Entschädigungen von 150 Millionen Euro einmalig für Anfangsinvestitionen und jährlich 50 Millionen Euro für Unterhalt und Betreuung der Infrastruktur.

„Diese Kosten würden anfallen, wenn die auf EU-Ebene diskutierte umfassende Speicherung aller Verkehrsdaten der Telefon- und Internetbetreiber vorgeschrieben wird“, sagte gestern der Bitkom-Fachmann Volker Kitz zur taz. Es geht dabei um die Verbindungsdaten bei Telefon, SMS, E-Mail und Internet. Die Polizei könnte dann bei einem Verdächtigen bis zu drei Jahre rückwirkend rekonstruieren, wann dieser mit wem wie lange telefoniert hat, wem er SMS und E-Mails geschrieben und welche Internetseiten er besucht hat. Diese Verbindungsdaten sollen von allen Telekom-Nutzern, auch den bislang völlig unverdächtigen, auf Vorrat gespeichert werden, damit sie vorhanden sind, wenn die Polizei sie braucht. Der Inhalt von Telefongesprächen und E-Mails soll aber nicht auf Vorrat protokolliert werden. Noch ist der aus Frankreich und England stammende Plan auf EU-Ebene allerdings sehr umstritten.

Derzeit gibt es in Deutschland keine Speicherpflicht der Telekom-Unternehmen. Sie können aber die Verbindungsdaten der Kundendaten zu Abrechnungszwecken bis zu einem halben Jahr festhalten. Die Deutsche Telekom speichert die Verbindungsdaten ihrer Kunden derzeit rund 90 Tage. Die Kunden haben zwar die Möglichkeit, zu widersprechen, davon macht aber kaum jemand Gebrauch, weil es sonst schwierig ist, sich über eine überhöhte Telefonrechnung zu beschweren.

Die gesetzliche Erlaubnis, Daten zu speichern, bezieht sich derzeit nur auf solche Daten, die für die Abrechnung relevant sind. So sind bei Telefongesprächen die angerufenen Telefonnummern wichtig, weil Orts-, Fern- oder Auslandsgespräche unterschiedlichen Tarifen unterliegen. Anders sieht es im Internet aus. Für die Rechnung ist eigentlich nur entscheidend, wann der Nutzer online gegangen ist und wann er das Netz wieder verlassen hat. Wem er in dieser Zeit E-Mails gesandt hat und welche Seiten er im Internet angesehen hat, spielt eigentlich keine Rolle. Bei einer pauschalen Flatrate sind sogar die Zeiten, die man im Netz verbrachte, irrelevant. Ohne klare Rechtsgrundlage speichern aber viele Internet-Provider schon jetzt, welchen Kunden sie beim Surfen welche temporäre IP-Nummern vergeben haben. Deshalb kann auf Anforderung der Polizei auch heute oft schon rekonstruiert werden, wer zum Beispiel eine bestimmte Seite mit Kinderpornografie angesehen hat.

Die von Bitkom befürchteten Mehrkosten bei einer Pflicht zum Speichern entstehen zum einen durch längere Speicherzeiten. Teuer wäre aber vor allem der Einbezug von Angaben, die bisher gar nicht registriert wurden. „Wenn wir zukünftig festhalten sollen, wer wen erfolglos angerufen hat, dann müssten wir dafür die technischen Möglichkeiten erst mal schaffen“, so Bitkom-Experte Kitz. Bester Bündnispartner der Telekom-Unternehmen ist Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte. Er kritisierte gestern die Vorratsspeicherung als unverhältnismäßig.

CHRISTIAN RATH