: Die wunderbare Welt der Bahngewinne
Die Bahn steuert weiterhin die Börse an. Da muss sie mit Gewinnen winken. In einem rosigen Fünfjahresplan rechnet sie trotz sinkender Zuschüsse mit steigenden Erlösen
BERLIN taz ■ Der Chef der Deutschen Bahn AG will ein betriebswirtschaftliches Wunder vollbringen: Er bekommt viel weniger Zuschüsse für Investitionen als geplant – und trotzdem sollen sich die Umsätze noch weitaus rosiger entwickeln als die eh schon rosigen Prognosen der vergangenen Jahre. Das belegt ein Vergleich des aktuellen Fünfjahresplans mit dem aus dem Jahr 2003, den Hartmut Mehdorn dem Aufsichtsrat unter dem Titel Mittelfristige Finanzplanung vorgelegt hat.
Auch der Gewinn soll sich sehr schön entwickeln: Nach 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr will Mehdorn 2005 bereits mit einem mehr als doppelt so hohen Betrag abschließen. Und 2006 soll sich das Betriebsergebnis dann sogar schon vervierfacht haben. Im Jahr eins nach Mehdorn, also 2009, soll sein Nachfolger dann fast 2,3 Milliarden Euro einfahren, so das Kalkül des gegenwärtigen DB-Vorstandsvorsitzenden.
Doch von den süßen Versprechungen der Zukunft zurück zu den harten Tatsachen der Gegenwart. Der Bund als Eigentümer des Unternehmens reduziert zunehmend die Investitionsmittel für die Schieneninfrastruktur. In diesem Jahr sind noch 3,66 Milliarden Euro vorgesehen, im kommenden Jahr sind es schon 400 Millionen weniger. Für 2008 sind dann sogar nur 2,19 Milliarden Euro vorgebucht. Allerdings besagt eine Protokollnotiz, dass 1 zusätzliche Milliarde noch aufgetrieben wird. Woher sie kommen soll, ist aber völlig unklar.
Weil 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für den Erhalt der vorhandenen Gleise und Anlagen benötigt werden, bleibt für neue Planungen bis 2009 nichts übrig. „Fast jedes Projekt, das nicht schon begonnen wurde, fällt erst einmal weg“, bestätigt ein Bahnsprecher. So schnurrte die Liste mit über 200 Bauprojekten auf 66 zusammen – und dabei handelt es sich zu einem großen Teil um „Restleistungen“ für im Prinzip fertige Strecken und Anlagen, die oft mit weniger als 1 Million Euro veranschlagt werden. Darüber hinaus gibt es mehrere Vorhaben, wo zumindest ab und zu ein bisschen Erde bewegt werden muss, um das Baurecht zu erhalten.
„Die Kapitalmarktfähigkeit ist nach wie vor unser Ziel, denn nur so können wir ein Stück weit unabhängiger werden von den Finanzmitteln des Bundes“, sagt der Bahnsprecher. Dadurch erklärt sich auch das Paradox: Gerade jetzt, wo der Tropf des Bundes immer weniger hergibt, malen Mehdorn und seine Leute ein umso gleißenderes Bild der Zukunft.
Wie dieser wunderbare Zustand allerdings erreicht werden soll, dürfte einem kühl rechnenden Investor kaum zu vermitteln sein. Allein der Transport mit anderen Verkehrsmitteln verspricht gute Gewinne; auf der Schiene dagegen wird sich das Angebot eher verschlechtern und damit wohl auch das hiermit erwirtschaftete Ergebnis. So wird Mehdorns Fünfjahresplan wohl Fata Morgana bleiben – wie zuvor schon andere in der deutschen Geschichte.
ANNETTE JENSEN