: Prosper brennt, Bottrop hustet
Wenn es auf Zeche Prosper-Haniel IV nach Kabelbrand riecht. Tagelang brennt es in dem Bottroper Berkwerk – 1.000 Meter unter Tage. Von routinierten Zechenarbeitern und aggressiven Anwohnern
AUS BOTTROP MARTIN TEIGELER UND HÉLÈNE WANYOU
Die kleine Siedlung neben dem Bergwerk ist menschenleer. Bottrop. Gesternvormittag vor der Zeche Prosper IV. Die Sonne scheint. Knapp ein dutzend Einfamilienhäuser stehen in unmittelbarer Nachbarschaft des Bergwerks. Eine Anwohnerin öffnet die Haustür. Die Frau zischt schlechtgelaunt: „Die Nachbarn sind fast alle auf einer Beerdigung.“ Aber das habe nichts mit dem Brand zu tun.
Der Brand. In der Nacht zum Sonntag bricht gegen 23.30 Uhr unter Tage ein Grubenbrand aus. Nach Angaben der Deutschen Steinkohle AG, der Kohletochter der RAG, gibt es eine „Kohlenmonoxid-Entwicklung im Bereich einer Basisstrecke“. Angeblich fängt ein Kohlenabfuhr-Band aus Gummi in rund 1.000 Meter Tiefe aus ungeklärter Ursache Feuer. Personen werden nach offiziellen Angaben nicht verletzt, da sich die rund 70 Bergleute, die sich zu diesem Zeitpunkt unter Tage befinden, rechtzeitig aus eigener Kraft retten können. Rauchschwaden ziehen vom Bergwerk her über Wohngebiete. Die Bevölkerung wird aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten – wegen der „Geruchsbelästigung“.
Zweieinhalb Tage nach dem Brand. Ein weiterer Anwohner will doch noch sprechen. „Aber anonym“, bittet der Bottroper. „Das roch wie Kabelbrand“, erinnert sich der Mann an den Sonntagmorgen. „Die Polizei ist gekommen und hat von dem Brand berichtet“, sagt er. „Mein kleiner Sohn leidet an Asthma, der Ruß und der Geruch haben ihm zu Schaffen gemacht.“ Der Junge sei gestern mit der Ambulanz ins Krankenhaus eingeliefert worden, erzählt der Mann mit leiser Stimme. „Mittlerweile geht es ihm etwas besser, aber er muss noch im Krankenhaus bleiben.“ Aber da könne man nichts machen, sagt der Vater. Er schüttelt den Kopf. „Wollen Sie deswegen etwa was gegen die Steinkohle machen? Ist doch Quatsch, da muss man mit leben.“ Das Landesumweltamt hat Schadstoff-Messungen vor Ort durchgeführt. Stoffe in gesundheitsschädigender Konzentration konnten die Experten nicht feststellen.
Auch Bottrops SPD-Bürgermeister Peter Noetzel spricht gestern beruhigende Worte. Man habe bislang „keine Erkenntnisse über Schadstoffe, Grenzwerte seien nicht tangiert“, sagt der Rathauschef bei einer Konferenz in Gelsenkirchen. Bürgermeister, Bewohner und Bergarbeiter reden nicht schlecht über ihre Zeche. Bottrop glaubt an den Bergbau. Hier soll 2007 die erweiterte Kokerei Prosper an den Start gehen. 4.000 Kumpel stehen hier in Lohn und Brot. Der Brand treffe „die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens“, sorgt sich Bürgermeister Noetzel. Mehrere Hunderttausend Euro soll der Schaden im Bergwerk betragen. Das passt nicht zum neuen Image der Kohle: Ein sicherer Energieträger auf einem krisenhaften Weltmarkt. „400 Jahre ab heute“, heißt der Reklameslogan der DSK, mit dem für Kohlesubventionen geworben und vor steigenden Ölpreisen gewarnt wird. 400 Jahre ab heute? Und wie lang wird es dauern, bis der Brand auf Prosper gelöscht ist? Bis Donnerstag dauern die „Nachlöscharbeiten“ wohl noch, so die DSK.
Für den Besucher wirkt auf Prosper alles normal. Keine Flammen, kein dichter Rauch, keine müden Feuerwehrmänner. „Die Grubenwehr löscht unter Tage“, sagt ein Aufpasser vor dem Zechentor. Der Mittvierziger vor der Werksschranke trägt Oberlippenbart und eine schwarze Baseball-Mütze mit der Aufschrift „bo“. Mit einem Kumpel steht er am Eingang. Kleintransporter verlassen das Zechengelände, ein türkischer Mann schleppt Müllsäcke davon. Die Aufpasser haben sich vom Pförtner Kaffee rausbringen lassen. Sie machen Scherze. „Hier kommt keiner durch“, sagt einer breitbeinig.
Der Parkplatz neben dem Bergwerk ist voll. „Ja, die Kollegen arbeiten schon wieder“, sagt einer der Türwächter. Um die Ecke, an der Mauer neben dem Zechengelände, ist es still und leer. Es sieht so aus, als ob sich der Rauch verstecken will. Es stinkt immer noch in Bottrop. Es riecht manchmal nach verbrannter Kohle, manchmal nach versengtem Plastik. Kurz ziehen mickrige Rauchwölkchen über dem Bergwerk auf, dann sind sie wieder weg. Brand in Bottrop. Niemand rennt, niemand schreit. Man wartet einfach ab, bis alles gelöscht ist.