Der Stahlboom geht in die Luft

Die weltweite Nachfrage nach Stahl freut zwar Unternehmen und ArbeiterInnen – für Umwelt und BürgerInnen bedeutet sie jedoch eine zusätzliche Luftverschmutzung.

RUHR taz ■ Wenn China nach Stahl fragt, rauchen im Ruhrgebiet die Schlote. Der Boom des weltweit benötigten Werkstoffes ist im Revier am deutlichsten zu spüren. In Duisburg will Thyssen seinen Hochofen ausbauen, ArbeiterInnen legen in allen Werken Zusatzschichten ein. Die Umwelt ist dabei die Verliererin: Jedes Stahlwerk bläst einen ganzen Mix an schädlichen Stäuben und Kohlendioxid in die Luft.

„Die heimische Stahlindustrie wird ihre Standards nicht verbessern“, sagt Michael Ritthoff vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie. Selbst wenn die Stahlkonzerne wollten, könnten die Emissionen kaum verringert werden. Weil die bei der Stahlproduktion notwendige Energie auch für Konzerne teuer ist, haben sie schon frühzeitig in Einsparungen investiert. „Wir sind fast an der Grenze des Machbaren“, sagt Ritthoff. In den letzten Jahren sei die Energieeffizienz dramatisch gestiegen. „Wenn wir das Auto ähnlich hätten verbessern können, wären wir glücklich“, so der Forscher. Jetzt müsse dringend die Stahlverarbeitung verbessert werden.

Angelika Horster vom BUND NRW sieht den Stahlboom gelassen: „Jeder Werkstoff hat schädliche Auswirkungen, ganz gleich ob es sich um Holz, Stahl oder Aluminium handelt.“ Deshalb könne nur beim Verbrauch gespart werden. „Ich will den Chinesen nicht ihren Kühlschrank nehmen, aber wir müssen nicht in jede Lampe Edelstahl einbauen“, sagt die Umweltschützerin.

Auch die Duisburger spüren den weltweiten Hunger nach Stahl: ThyssenKrupp wird dort für 200 Millionen Euro den Hochofen 8 im Stahlwerk Hamborn bauen. UmweltschützerInnen werfen Thyssen vor, bei ihrem Antrag die Stadt „arglistig über die Verschmutzung getäuscht zu haben“, so die Bürgerinitiative gegen Umweltgifte. Nach den Berechnungen der BI wird die Umweltbelastung mit Feinstäuben, Nickel und anderen Schadstoffen auch künftig so hoch sein, dass der Hochofen nach dem neuen EU-Umweltrecht nicht zu genehmigen sei. Selbst die Stadt hatte zugegeben, dass die Thyssen-Papiere mangelhaft waren – schiebt die Verantwortung aber an die Bezirksregierung weiter, die die letzte Genehmigung aussprechen soll.

Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Chinas Stahlproduktion schlug im letzten Jahr mit 240 Millionen Tonnen alle Rekorde. Dabei ist der pro-Kopf-Verbrauch der ChinesInnen noch vergleichsweise gering: Prognosen gehen davon aus, dass sie in den nächsten Jahren einen mindestens fünffach höheren Bedarf an Stahl haben werden. Davor warnt sogar das chinesische Umweltministerium: Erneuerbare Energiequellen sollten erschlossen werden, heißt es aus Peking.

ANNIKA JOERES