: Schwere Vorwürfe in Visa-Affäre
Kölner Staatsanwalt Egbert Bülles wirft Auswärtigem Amt und Bundesregierung Behinderungen im Schleuserprozess vor. Mangelhafte Unterstützung der Ministerien
BERLIN taz ■ Der Visa-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat gestern den Kölner Oberstaatsanwalt Egbert Bülles vernommen. Der belastete die Regierung schwer: Bülles warf dem Auswärtigen Amt und dem Innenministerium vor, die Ermittlungen in einem Schleuserprozess behindert zu haben. „Da wurde mehr vernebelt als klargestellt“, sagte der Fahndungsleiter Organisierte Kriminalität.
Mit dem Kölner Verfahren gegen den eingebürgerten Ukrainer Anatoli Barg wurde erstmals öffentlich, dass es zu einem massenhaften Missbrauch von Visaanträgen in Kiew gekommen war. Insgesamt hatte Barg in 7.949 Fällen Ukrainer nach Deutschland geschleust. Dennoch kam er mit einer Haftstrafe von fünf Jahren davon, obwohl sonst acht Jahre üblich gewesen wären. Doch das Kölner OLG hatte im Februar 2004 entschieden, dass die Politik eine Mitschuld trage. Der zuständige Richter Ulrich Höppner nannte den Volmer-Erlass einen „Putsch gegen die Rechtslage“.
Der Volmer-Erlass galt seit März 2000 und wies die Botschaften an, „im Zweifel für die Reisefreiheit“ zu entscheiden. Bülles monierte nun gestern, dass ihm das Außenamt auch nach dreimaliger Anfrage diesen Erlass nicht rechtzeitig zur Verfügung stellte. Allerdings musste er einräumen, dass er „nicht konkret nach dem Volmer-Erlass gefragt hat“. Doch hätte sich das Ministerium auch sonst nicht kooperativ gezeigt. Bülles entschied sich daher, „schnell Anklage zu erheben“, damit das Gericht Beamte des Außen- und Innenministeriums als Zeugen vorladen konnte. Als diese dann entgegen aller Gepflogenheit mit Rechtsbeiständen erschienen, sei ihm das „doch ein bisschen komisch vorgekommen“.
Barg wurde am 14. Mai 2002 festgenommen. Seit Mai 2001 war gegen seine Schleuserbande ermittelt worden. Bargs Trick: Er hatte ein Netz von Reisebüros gegründet, um mit fingierten Reiseprogrammen und Hotelbuchungen Ukrainer einzuladen. Seine Geschäftspartner scheint er eher zufällig kennen gelernt zu haben. So sprach er etwa einen Rentner an, der am Rhein angelte und – so Bülles – „kaum schreiben konnte“. Die Ermittlungen gegen Barg haben inzwischen zu 266 weiteren Verfahren gegen Schleuser geführt. UH