Der Klempner muss warten

Kleinkapitalisten gegen Konzerne: Der Mittelstand ist vom Berliner Jobgipfel enttäuscht und sieht große Unternehmen im Vorteil. Neue Arbeitsplätze werden höchstens mittelfristig erwartet

VON KLAUS JANSEN

„Was ist Mittelstand?“ – für Axel Pestel beginnt das Problem schon bei der Definition. „Der Mittelstand ist ausgestorben“, sagt der Sprecher des Vereins der Kammerverweigerer (siehe Kasten). Geblieben seien Großkonzerne und kleine Betriebe, der Bäckern, Klempner, Computerladen von nebenan. Und an diesen „Arbeitsschaffenden“, da ist sich Pestel sicher, geht das Ergebnis des Berliner Jobgipfels „völlig vorbei“.

Eine Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozent haben die Granden von SPD und CDU im Kanzleramt vereinbart. Bereits zum zweiten Mal in der Regierungszeit von Rot-Grün werden damit große Kapitalgesellschaften entlastet – und der so genannte Mittelstand fühlt sich benachteiligt. „Der Mittelstand darf nicht das Stiefkind der Steuerreform bleiben“, beschwert sich etwa Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW). Und Kammerverweigerer Pestel sagt: „Die großen Schreihälse werden wieder bedient.“

Doch auch kleineren Unternehmen wird nach dem Jobgipfel Entlastung in Aussicht gestellt. So soll die Gewerbesteuer für Familienbetriebe künftig auf die Einkommensteuer angerechnet und auch die Erbschaftssteuer bei der Übergabe von Unternehmen reduziert werden. Für die Verbände ist das jedoch zu wenig: BVMW-NRW-Chef Herbert Schulte fordert die NRW-Landesregierung auf, die Gewerbesteuer als „Strafsteuer für Unternehmer“ komplett abzuschaffen. Kleinunternehmer Pestel spricht sich zudem dafür aus, noch konsequenter gegen Abschreibungsmöglichkeiten für Großkonzerne vorzugehen: „Es kann nicht sein, dass am oberen Ende nichts mehr gezahlt wird.“

Vertreter der Kammern zeigten sich dagegen zumindest halbwegs zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels: „Für den Mittelstand sind die Ankündigungen völlig okay“, sagt Bodo Risch, Geschäftsführer der Industrie und Handelskammer Nord Westfalen. Mehr Beschäftigung sei durch Steuererleichterungen allerdings frühestens in drei bis fünf Jahren zu erwarten: „Der unmittelbare Impuls ist wahrscheinlich eher mäßig“, so Risch zur taz.

Auch der nordrhein-westfälische DGB-Vorsitzende Walter Haas warnt vor überhöhten Erwartungen: „Bisherige Vergünstigungen haben auch nicht als Automatismus funktioniert, sonst hätten wir nicht 5 Millionen Arbeitslose“, sagt der Gewerkschafter. Gut sei nur, dass der Staatshaushalt nicht zusätzlich belastet werden solle, da Unternehmen etwa bei Auszahlung von Gewinnen stärker als bisher zur Kasse gebeten werden sollen. Die Befürchtungen des Mittelstandes teile er nicht.

Das Glas halb voll oder halb leer, NRW-SPD-Chef und Wirtschaftsminister Harald Schartau konnte sich am Tag nach der Berliner Runde auch nicht so recht entscheiden: „In keinem Fall klein reden“ wolle er den Gipfel, Patentrezepte gebe es natürlich nicht. Es seien „ein paar markante Punkte beschlossen worden“, sagte er. „Man wird sehen, wie sie wirken.“