: Eiszeit nach Regelbruch
Der Libanon wird doch nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen. Grund: Er ignoriert die Existenz Israels
Der Regelverstoß war offensichtlich: Auf der Website des libanesischen Senders Télé Liban stand zu lesen, 39 Länder würden im Mai in Kiew beim Eurovision Song Contest teilnehmen. Ein Zählfehler? Denn gemeldet waren 40 Länder. Bei näherem Hinsehen stellte sich auf dieser Internetseite heraus, dass Israel nicht aufgeführt war. Als die Reference Group der Eurovision in Beirut nachfragte, stellte sich obendrein heraus, dass der Sender am 19. Mai den israelischen Beitrag nicht übertragen werde: Die Gesetze des Zedernlandes verböten, hieß es lapidar, Israelisches neutral zu vermitteln; man sei mit diesem Land im Kriegszustand. Noch im Dezember hieß es in Beirut nach einer Meldung von taz und dem Nachrichtendienst esc today, der Libanon ziehe aus politischen Gründen Israels wegen zurück, das seien „falsche Gerüchte“. Die sich nun als Tatsachen herausstellen.
Der Regelverstoß jedenfalls wurde in der Nacht zu Samstag klar eingestanden: Télé Liban muss gehofft haben, sich an den Bestimmungen vorbeizumogeln – merkt ja vielleicht keiner. Die „Gesetze“ des Eurovision Song Contest verlangen jedoch, dass alle Teilnehmerländer alle Lieder zu Gehör bringen – gleichgültig, in welchem inneren, politischen oder gesellschaftlichen Verhältnis sich ein Land zu einem anderen befindet. Alle Lieder zu senden ist schon deshalb wichtig, weil über die Punktevergabe ja nach dem Televoting entschieden wird. Israel hätte also aus Beirut keinen einzigen Zähler bekommen – eine politische Geste der Missachtung.
Israel? Libanon? Liegen die nicht aber jenseits des klassischen Europa? Eindeutig. Aber die Eurovision hat auch Mitglieder jenseits des Alten Kontinents; die meisten arabischen Mittelmeerländer beispielsweise, auch je einen Sender in Kanada und Australien. Die Eurovision, vor allem ein technisches Netzwerk zum Austausch von TV-Beiträgen, hat insofern schon immer ein offenes Herz für Länder am südlichen oder östlichen Saum des Mittelmeers gehabt.
Kulturell kam dies 1973 Israel zuerst zugute. Damals, nach dem olympischen Terroranschlag eines palästinensischen Kommandos auf israelische Sportler in München 1972, war das junge Land im Nahen Osten isoliert: Man bat um Teilnahme am Grand Prix Eurovision, um wenigstens diese kulturelle Brücke zu haben.
Etliche Male schon wollten arabische Länder am Grand Prix der Eurovision teilnehmen: 1980 gelang dies Marokko – weil man sicher sein konnte, dass Israel, aus finanziellen Gründen, nicht dabei sein würde. Drei Jahre zuvor war es Tunesien, das mitmachen wollte – aber nur unter der Bedingung, dass Israel nicht dabei ist und bei dieser Gelegenheit gleich aus dem Eurovisionsnetzwerk generell ausgeschlossen wird. Die Eurovision ließ sich auf solche Händel des kulturellen Appeasements gar nicht erst ein: Wer mitmacht, muss alle anderen ertragen. Politische Scharmützel auf Gesangsebene gab es auch 1979: Die Türkei verzichtete auf einen Start in Jerusalem, nachdem es von arabischen Staaten wie Ägypten und Syrien massiv unter (Öl-)Druck gesetzt wurde. Im Jahr zuvor, 1978, schaltete sich das jordanische Fernsehen aus der Übertragung aus, nachdem sich ein israelischer Sieg (Izhar Cohen und „A-Ba-Ni-Bi“) punktemäßig abzeichnete – anderntags verkündete man, Belgien, das tatsächlich Zweiter wurde, habe gewonnen.
Warum diese Länder überhaupt den Grand Prix übertragen haben? Weil Millionen Jordanier, Palästinenser und Libanesen ihn sonst auf israelischen Kanälen (schwarz, illegal) verfolgt hätten: Und so wird es wohl auch wieder im Mai in Kiew sein. JAF