: Bundeswehr wird Küstenwache
Innenminister Schily plant ein Seesicherheitsgesetz, das den Einsatz der Streitkräfte auch bei der Terrorabwehr in Nord- und Ostsee erlaubt. Bei Angriffen durch Selbstmordattentäter oder Schiffsentführungen soll die Bundeswehr eingreifen können
VON CHRISTIAN RATH
Die Bundeswehr soll künftig terroristische Angriffe auch auf See abwehren können. Dies sieht der Entwurf eines neuen Seesicherheitsgesetzes vor, der der taz vorliegt. Erarbeitet wurde der Entwurf im Haus von Bundesinnenmister Otto Schily (SPD), der für die Polizeiaufgaben des Bundes zuständig ist.
Ein mögliches Szenario ist der Angriff eines von Selbstmordattentätern gesteuerten, mit Sprengstoff voll beladenen Schnellbootes auf Schiffe oder Hafenanlagen an der deutschen Küste. Als Beispiel wird das US-Kriegsschiff „USS Cole“ angeführt, das im Oktober 2000 vermutlich von Al-Qaida-Terroristen im jemenitischen Hafen Aden attackiert wurde.
Auch die Entführung eines unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiffes auf hoher See könnte zu einem Fall für die Bundeswehr werden, für den das neue Seesicherheitsgesetz neue Handlungsmöglichkeiten schaffen soll. So hatten palästinensische Terroristen 1986 das italienische Schiff „Achille Lauro“ entführt. Denkbar sind auch Sabotageakte, etwa gegen die einzige deutsche Ölförderplattform Mittelplate in der Nordsee.
Bisher ist für solche Aufgaben innerhalb der Küstengewässer (12-Meilen-Zone) die Wasserschutzpolizei der Länder und außerhalb davon der Bundesgrenzschutz zuständig, wobei Bund und Länder inzwischen eng zusammenarbeiten. Bei dieser Zuständigkeit soll es im Prinzip auch bleiben, allerdings soll zur „Unterstützung der Polizeikräfte“ künftig auch die Bundeswehr, insbesondere die Marine, eingesetzt werden können. Voraussetzung hierfür ist, dass ein „besonders schwerer Unglücksfall auf See oder von See her“ droht. Ob ein solcher Fall vorliegt, entscheidet die Bundesregierung, im Eilfall der Bundesverteidigungsminister allein. Wenn sich die Gefahr auf die Küstenzone eines Bundeslandes beschränkt, kann zunächst das Land entscheiden, ob es Hilfe der Streitkräfte benötigt.
Die Bundeswehr darf gegebenenfalls „Seefahrzeuge zum Anhalten auffordern, aufbringen, manövrierunfähig machen, betreten, durchsuchen, den Einsatz von Waffengewalt androhen, Warnschüsse abgeben sowie Personen durchsuchen und vorläufig festnehmen“. Als letztes Mittel ist auch der Einsatz von Waffengewalt möglich, wenn ein Angriff auf das Leben von Menschen bevorsteht.
Anders als bei dem vor einigen Monaten beschlossenen Luftsicherheitsgesetz ist diesmal eine Grundgesetzänderung vorgesehen. Dies ist allerdings keine Abkehr von der bisherigen Linie. Denn wieder wurde unterstellt, dass ein drohender Terrorangriff ein „besonders schwerer Unglücksfall ist“ und daher bereits jetzt den Einsatz der Bundeswehr im Innern zulässt – was aber umstritten ist. Klarstellen will Otto Schily nur den Randaspekt, dass die Bundeswehr Polizeiaufgaben auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets wahrnehmen kann.
Ein zweiter Schwerpunkt des Gesetzes betrifft die erstmalige Einführung von Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Schiffsverkehr. Damit wird einer EU-Verordnung von 2004 Rechnung getragen. Die Sicherheitsprüfung betrifft Personen die an deutschen Schiffen „Schlüsselpositionen“ innehaben, insbesondere Kapitäne, Steuerleute und Sicherheitsbeauftragte.
meinung und diskussion SEITE 11