: Sächsische Nazi-Skins trotzen Verbot
Vier Jahre nach ihrem Verbot und zwei Jahre nach einer Prozessserie formieren sich die militanten Mitglieder der „Skinheads Sächsische Schweiz“ erneut konspirativ. „Nicht nur zum Biertrinken“, sagt der zuständige Staatsanwalt
DRESDEN taz ■ Anklage, Verbot, Prozesse gegen 42 Mitglieder, Bewährunggsstrafen im Jahr 2003. Und doch sind die militanten „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) nicht zu zerschlagen. „Man trifft sich konspirativ weiter, und nicht nur zum Biertrinken“, sagt Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Er leitet in Dresden die für ganz Sachsen zuständige Staatsschutzabteilung, die mit sechs Staatsanwälten nicht gerade üppig ausgestattet ist. „Der Gedenkmarsch in Stolpen zum Heß-Todestag im August vorigen Jahres war auch keine Spontandemo.“
Vor allem aber steht seit Ende Februar Daniel Betke erneut vor einem Pirnaer Gericht. Als einer der bekanntesten Schläger der SSS kann der 27-Jährige das Prügeln nicht lassen. Drei konkrete Übergriffe werden ihm zur Last gelegt. Entsprechend bedroht fühlen sich nach wie vor linke Aktivisten in der Region. Auf einer Tagung des PDS-Kreisverbandes in Pirna zum Umgang mit der rechten Szene war am vergangenen Wochenende viel von Angst die Rede. Kreisgeschäftsführer Lutz Richter will ein geplantes alternatives Kultur- und Jugendzentrum nicht nur als Freizeitangebot einer Gegenkultur, sondern auch als „geschützten Raum“ verstanden wissen. Da tröstet es wenig, dass die sächsische Kriminalstatistik 2004 nur einen Anstieg der Propagandadelikte und einen Rückgang rechter Gewalt verzeichnet.
Auch Oberstaatsanwalt Jürgen Schär kennt die Angst. In der ersten Prozessserie gegen die SSS hat er Zeugen persönlich begleitet. Als er im Jahr 2000 die Staatsschutzabteilung übernahm, war sein zentrales Anliegen die Verfolgung der SSS wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. „Die Verfolgung von Einzelstraftaten brachte unbefriedigende Ergebnisse und erhellte die Strukturen nicht.“ Die Verfahren endeten vor zwei Jahren mit relativ milden Bewährungsstrafen, um im Gegenzug durch Geständnisse Aufschlüsse über die Organisation zu gewinnen. Hat das funktioniert? Oberstaatsanwalt Schär überrascht die Neuformierung der SSS nicht. „Das konnte man bei solch hart gesottenen Typen nicht anders erwarten.“ Seine Arbeit sei eine Sisyphosarbeit gegen immer nachwachsende Kräfte, mit deren Existenz die Gesellschaft auch teilweise leben müsse. Man könne die Strukturen nur immer wieder angehen und den Personenkreis dezimieren.
Wie kompliziert die juristische Verfolgung sein kann, zeigt das wegen anhängiger Klagen noch immer nicht rechtswirksame SSS-Verbot von 2001. Wiederholungstäter Betke musste außerdem wegen unglücklicher Zeugenabsprachen vorerst aus der U-Haft entlassen werden. Schär wünscht sich deshalb mehr Vertrauen, einen Abbau „linker Phobien“ gegenüber der Staatsmacht. Und er fordert neben dem „Aufstand der Anständigen“ auch den der Zuständigen, eine leise Kritik an der mangelhaften Ausschöpfung polizeilicher Befugnisse zur Gefahrenabwehr. „Der Verfolgungsdruck bleibt hoch“, hält jedoch Sachsens Innenminister Thomas de Maizière entgegen und verweist beispielsweise auf die große polizeiliche Durchsuchungsaktion vom 1. Dezember 2004.
Nicht nur der Staatsanwaltschaft sind auch die Querverbindungen eines Mannes zur SSS bekannt, der als NPD-Landtagsabgeordneter inzwischen Indemnität genießt und gern die domestizierende Wirkung der NPD auf militante Sympathisanten betont. Das Verfahren gegen Uwe Leichsenring aus Königstein war im Frühjahr 2004 nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden. MICHAEL BARTSCH