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Archiv-Artikel

Südafrikas ANC im Strudel der Korruption

Das Image der einstigen südafrikanischen Befreiungsbewegung ist angekratzt: Dutzendweise kommen Abgeordnete wegen Veruntreuung vor Gericht. Fünf Urteile sind schon gefallen. Eine noch viel größere Korruptionsaffäre betrifft Vizepräsident Zuma

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Glaubwürdigkeit der südafrikanischen Regierungspartei ist ins Gerede gekommen. Korruptionsaffären kratzen am Image des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Statt mit Idealismus und Einsatz für das Volk zu glänzen, haften den einstigen Anti-Apartheid-Kämpfern Vorwürfe an, es auf Luxuskarossen und Villen abgesehen und dabei die Armen in ihren Squattercamps vergessen zu haben.

Fünf ANC-Parlamentarier wurden Ende vergangener Woche zu Geldbußen zwischen 5.000 und 10.000 Euro oder ersatzweise Haftstrafen bis zu drei Jahren wegen Betrugs verurteilt. Es sind die Ersten von 40 Parlamentariern, denen vorgeworfen wird, staatliche Reisekostenerstattungen für privates Vergnügen genutzt zu haben. Durch ihr Schuldeingeständnis bleibt ihnen der Sitz im Parlament erhalten, zum Ärger der Opposition.

Drei weitere sollen diese Woche vor Gericht erscheinen, der Rest am 6. Juni. Von den insgesamt 40 in die Affäre verwickelten Volksvertretern sind derzeit 29 angeklagt und 23 bereits vor Gericht erschienen, die Mehrheit davon vom ANC. Südafrikas Steuerzahler sind um mehr als zwei Millionen Euro geprellt worden, weil sich die Abgeordneten Aufenthalte in teuren Hotels, Ausflüge in Limousinen und Wochenendtrips mit Familie als Spesen abrechnen ließen. Angestellte von sieben Reiseagenturen sind mitangeklagt.

Die Fälschung von Reisekostenabrechnungen ist jedoch nur ein verhältnismäßig kleiner Fall. Südafrikas Vizepräsident Jacob Zuma wird im Zusammenhang mit einem großen staatlichen Waffeneinkauf beschuldigt, Bestechungsgelder des Bankiers und Geschäftsmanns Schabir Shaik in Höhe von 150.000 Euro angenommen zu haben. Diese Angelegenheit wird bereits seit Monaten vor Gericht verhandelt. Zuma streitet jede Verwicklung ab, aber die Affäre hat bereits zum Rücktritt hochrangiger Ermittler geführt. Statt sich bis zur Klärung der Sache vom Amt zurückzuziehen, will Zuma 2009 die Nachfolge von Staatschef Thabo Mbeki antreten.

Als all diese Affären ans Licht gerieten, gab die ANC-Führung kein klares Signal, dass Amtsmissbrauch knallhart verfolgt werden würde. Stattdessen zieht sich der Reisekostenskandal seit fast einem Jahr hin.

„Die Tatsache, dass Betrug stattfindet, ist nicht an sich eine Bedrohung für die Demokratie“, meint Steven Friedman, Direktor des Instituts für politische Studien. „Vorausgesetzt, die Öffentlichkeit kann davon ausgehen, dass die Regierung wirklich besorgt ist und alles daran setzt, um die Täter jetzt und auch künftig zu bestrafen.“ Doch genau darüber sind Südafrikaner skeptisch. Parlamentssprecherin Baleka Mbete hat zwar verschärfte Kontrollen der Abgeordnetenreisen angekündigt, aber ANC-Fraktionsvorsitzender Mbulelo Goniwe drängte darauf, das jetzige System der Reisekostenabrechnung beizubehalten, bis der Betrugsfall aufgeklärt ist. Er setzte noch eins drauf, indem er die zuständige Sonderermittlungseinheit der Polizei, die „Skorpione“, einer chaotischen und rachsüchtigen Vorgehensweise beschuldigte und sie vor das Parlament zitieren wollte.

„Das Parlament hat versagt, ordentlich zu erklären, wie es mit den Anschuldigungen umgehen wird“, kritisiert Jonathan Faul vom Institut für Demokratie in Südafrika in Kapstadt. „Das dient nicht gerade dem demokratischen System. Südafrikaner können in Sachen Politik sehr zynisch sein.“

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse werden nun von einer parlamentarischen Arbeitsgruppe unter Vorsitz der größten Oppositionspartei DA (Demokratische Allianz) untersucht. Parlamentssprecherin Mbete kann zwar disziplinarische Schritte einleiten, doch auch das will ANC-Fraktionschef Goniwe in der Reiseaffäre bis Ende der Prozesse verhindern. Der ANC sendet ein klares Zeichen, dass Politikerkritik nicht angesagt ist.