: Land will Europa ins Gespräch bringen
Anfang April startet das Land NRW eine Aufklärungskampagne zur EU-Verfassung. Europaminister Kuschke hofft auf größere Akzeptanz nach Bundestagsentscheidung. Friedensaktivisten kritisieren Großmachtstreben der EU
DÜSSELDORF taz ■ Was fällt dem Bürger zur EU-Verfassung ein? Nicht viel. Um diesen Zustand zu ändern will die nordrhein-westfälische Landesregierung am 4. April eine Aufklärungskampagne zu diesem Thema starten. „Die EU-Verfassung stößt auf Akzeptanz, aber auch auf Unkenntnis“, sagt NRW-Europaminister Wolfram Kuschke (SPD). Am 18. Juni 2004 haben die Staats- und Regierungschefs der EU einen europäischen Verfassungsvertrag verabschiedet. Im nächsten Jahr soll der Vertrag von den 25 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Der Bundesrat hatte bereits im Februar kontrovers diskutiert. Die Länderversammlung forderte eine Stärkung der Länderrechte auf nationaler Ebene. Am 12. Mai soll es im Bundestag zu einer Ratifizierung der EU-Verfassung kommen. „Ich denke, dass nach der Verabschiedung auch das Interesse in der Bevölkerung steigt“, so Kuschke zur taz. Anfang des Jahres sprachen sich 53 Prozent der Bundesbürger für eine EU-Verfassung aus und 40 Prozent dagegen – obwohl nicht einmal die Hälfte wusste, worum es darin ging.
Zum Start der NRW-weiten Kampagne sollen am 4. April im Düsseldorfer Landtag Mitglieder des Europa-Parlaments, des Bundestages, des Landtags sowie Wissenschaftler zum Thema EU sprechen. Mittelfristig soll ein Rednernetzwerk aufgebaut werden. Im Verlauf der Kampagne soll es auch einen Schülerwettbewerb geben. Konkrete Abläufe sind noch nicht bekannt.
Zu den wichtigsten Punkten gehört nach Angaben Kuschkes die regionale und kommunale Selbstverwaltung, sowie das Subsidaritätsprinzip: Nur das, was von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend und von der Union besser geregelt werden kann, soll auf europäischer Ebene geregelt werden. „Wir wollen die Bürger über das Gebilde EU aufklären“, sagt Kuschke. Ängste, das alles in Brüssel entschieden sollen erst gar nicht entstehen.
Kritik an der EU-Verfassung kommt unter anderem von der Friedensbewegung. Die Ostermärsche an Rhein und Ruhr, die am kommenden Samstag in Düsseldorf und Duisburg beginnen, haben die EU-Verfassung zum zweiten Mal nach 2004 als programmatischen Schwerpunkt ausgewählt. Motto: „Für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben in Europa. Keine Militärverfassung und keine Großmachtpläne!“
Kritisiert wird vor allem die militärische Ausrichtung: So sei in der Verfassung der Aufbau einer EU-Streitmacht vorgesehen, die zu weltweiten Kampfeinsätzen entsandt werden können. „Aufrüstung wird zur Verfassungspflicht“, heißt es im Aufruf zum Ostermarsch. Die EU besitze Atomwaffen und beanspruche das Recht auf militärische Erstschläge. „Ich kann diese Einschätzung nicht teile“, sagt Kuschke, die Bürgerrechte würden eher noch gestärkt. Welche Rechte er genau meinte, wird sich in Zukunft zeigen.
HOLGER PAULER