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Archiv-Artikel

Eine nicht immer einfache Nachbarschaft

Heute vor 50 Jahren wurden mit den „Bonn-Kopenhagener Erklärungen“ die Rechte der deutschen und dänischen Minderheiten geregelt. Das Jubiläum könnte noch etwas freudiger gefeiert werden, wenn nicht nationalistische Kräfte auf beiden Seiten der Grenze mit den Absprachen ihre Probleme hätten

Von Reinhard Wolff

„Wo sind wir denn, wenn Dänen deutsche Politik bestimmen dürfen“, tobte 1987 der CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß. Auch damals hatte sich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) angeschickt, Zünglein an der Ministerpräsidenten-Waagschale zu spielen. Um das zu feiern, was Dänen und Deutsche im jeweiligen Nachbarland dürfen, wird sich der Bundeskanzler heute mit seinem dänischen Kollegen Anders Fogh Rasmussen auf Schloss Sønderborg treffen. Denn am heutigen Dienstag werden die Regierungsabkommen, welche diese Rechte regeln, 50 Jahre alt.

Geregelt musste da nämlich etwas werden, als sich Zehntausende Deutsche und DänInnen nach einer 1920 vom Völkerbund organisierten Volksabstimmung plötzlich auf der „falschen“ Seite der Schleswig nun teilenden deutsch-dänischen Grenze wiederfanden. Seit dem 15. Jahrhundert hatte das von der dänischen Krone regierte Herzogtum Schleswig-Holstein wie ein Puffer zwischen Dänemark und dem Deutschen Reich gelegen. Bis es sich Preußen-Österreich 1864 nach dem Sieg über die dänischen Truppen einverleibte. Die nach dem 1. Weltkrieg eingeführten Minderheitenrechte waren kurzlebig. Für die eigenen Schulen und Organisationen der DänInnen war bald südlich der Grenze im nach völkischer Sammlung strebenden Hitlerdeutschland kein Platz mehr. Und nach dem Ende des Dritten Reiches wurden nördlich der Grenze die Schulen der „Kollaborateure“ geschlossen und enteignet.

Das sowieso belastete Verhältnis hatte durch den deutschen Überfall auf Dänemark und die Jahre der Besatzung dort ein grundsätzliches Misstrauen auf alles Deutsche hinterlassen. Mit Gründung der Bundesrepublik 1949 wollte zumindest das offizielle Dänemark der neuen deutschen Demokratie eine Chance geben. Der Umgang Deutschlands mit seiner dänischen Minderheit galt dafür in Kopenhagen als Prüfstein.

Am 26. September 1949 legte der schleswig-holsteinische Landtag mit der „Kiel-Erklärung“ die Grundlage für einen Neuanfang beim Minderheitenschutz. Doch dieses zarte Pflänzchen sah Kopenhagen durch das, was die Adenauer-Ära als Vergangenheitsbewältigung verstand, schnell wieder gefährdet. Und eine 1951 angetretene CDU-Regierung in Kiel wollte dem „störenden“ SSW die Chance auf parlamentarische Repräsentation nehmen und erhöhte kurzerhand die erst zwei Jahre zuvor eingeführte 5 Prozent-Sperrklausel auf 7,5 Prozent. Was zwar das Bundesverfassungsgericht wieder stoppte. Doch die böse Absicht und ein von der CDU aggressiv gegen die Partei der Minderheit geführter Wahlkampf, in dessen Folge diese trotz 42.000 Stimmen an der Sperrklausel scheiterte, sorgte in Dänemark für hohen Wellengang. Umso mehr, als nahezu zeitgleich der deutschen Minderheit 9.700 Stimmen für einen Sitz der „Slesvigsk Parti“ im Kopenhagener Parlament genügt hatten. Man sah sich in seinen Befürchtungen über Deutschland bestätigt. Der dänische Schulminister Julius Bornholt sprach davon, dass sich „am Drang der Deutschen, Minderheiten zu unterdrücken, nichts geändert hat.“ Ministerpräsident Hans Hedtoft von einer „Demokratie ohne allzuviel Demokraten“.

Als 1954 der Beitritt der BRD zur NATO aktuell wurde, legte sich eine Mehrheit des dänischen Parlaments kurzerhand quer: Kopenhagen werde diesem nur zustimmen, wenn vorher die Rechte der dänischen Minderheit auf eine verbindliche Grundlage gestellt würden. Nun wurde Bonn schnell wach. Nach zweimonatigen Regierungsverhandlungen wurden in den beiden nahezu gleichlautenden „Erklärungen von Bonn und Kopenhagen vom 29. März“ die Minderheitenrechte geregelt und auch der SSW von der Sperrklausel befreit. Zeitgenössische Kommentare sahen in dem Abkommen einen Wendepunkt in den deutsch-dänischen Beziehungen.

Dieser Neuanfang hinderte nicht, dass bei politischem Bedarf die Gespenster der Vergangenheit gern geweckt wurden. Die GegnerInnen eines EWG-Beitritts Dänemarks gebrauchten 1972 das vermeintlich von Deutschland dominierte „Neuropa“ als Nein-Argument. Bei der Abstimmung über die Euro-Einführung wurde dieser als „Münze auf den Spuren Hitlers“ beschrieben. Als 2000 die deutsche Minderheit sich über Einschränkungen des Rechts auf Pflege der eigenen Sprache beklagte, konterte die Boulevardpresse mit verkaufsfördernden antideutschen Reminiszenzen. Einige Jahre sah es so aus, als ob tatsächlich die Deutschen weniger Probleme mit „ihren Fremden“ hatten, als die Dänen. Bis jüngst zur Wahlnacht am 20. Februar 2005.