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: Auf dem Index

Larger than Life: Eine Vielzahl von US-Profis gerät ins Visier von Gewichtskontrolleuren

Die Nachricht kommt nicht wirklich überraschend: US-Profis sind zu dick. Vor allem die Football-Spieler. Das haben die Cracks nun auch Schwarz auf Weiß. Im Fachmagazin Journal of the American Medical Association ist zu lesen, dass immer mehr Profis unter Gewichtsproblemen leiden. Jeder vierte NFL-Spieler ist fettleibig, jeder zweite übergewichtig. Man hat sich auch mit den Basketballern der NBA beschäftigt. Ja, selbst da, wo es darum geht, der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen und behände zum Korb zu hüpfen, tummeln sie sich, die vermeintlichen Moppelchen und Schmerbäuche. Jeder Zweite sollte abspecken, raten Ärzte.

Dass Shaquille O’Neal (33) kein Kostverächter ist, verrät schon allein seine massige Statur. Er gehört zu jenen vier NBA-Spielern, die als fett geoutet wurden. Doch der Center der Miami Heat, der schon mit den „Hack-a-Shaq“-Attacken gegen Spielende leben muss, sieht sich zu Unrecht beschuldigt. Alles Muskeln, beteuert er – und liegt durchaus richtig. Auch die Liga ist alarmiert. „Unsere Spieler sind mit die austrainiertesten Athleten, die es gibt“, beeilt sich ein NBA-Sprecher klarzustellen. Bei O’Neal wurde der Wert 31,6 gemessen – nach dem Body Mass Index (BMI). Ein Wert jenseits der 30 gilt gemeinhin als Indiz für Korpulenz. Doch der BMI ist bei Sportlern nur ein vager Anhaltspunkt.

Der Body Mass Index wird nach der Formel errechnet: Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch die Körpergröße (in Meter) zum Quadrat. Somit wiegt Shaquille O’Neal etwa 150 Kilo. Eine stolze Zahl, doch er ist zufrieden mit sich und seinem Körper. „Als Athlet bin ich gut beisammen“, sagt er und verweist darauf, nur 13 Prozent Fett am Körper zu tragen. Zum Vergleich: Skispringer gehen etwa mit einen BMI von 17,5 über den Bakken; die westeuropäische Normalbevölkerung bewegt sich zwischen 21 und 25. Fest steht, dass O’Neal trotz aller Beschwichtigungen nicht als Hänfling durchgeht. Als er im vergangenen Jahr aus dem Sommerurlaub zurückkam, wies ihn das Management seines Klubs an, bitte die Pfunde purzeln zu lassen; das Mehrgewicht beeinträchtige ansonsten sein Spiel.

Ein paar Kilos hat der Center im Zuge seiner Diät nicht runtergekriegt. Trotzdem hat er im Vergleich zur Vorsaison, die er noch bei den Los Angeles Lakers an der Westküste zubrachte, seine Offensivkraft gestärkt; er bringt es auf durchschnittlich 22,8 Punkte pro Spiel, zudem erreicht seine Wurfquote Bestniveau.

O’Neal ist ein Beleg dafür, dass der US-Sport nach Höherem strebt: Zwischen Sacramento und Boston mag man es Larger than Life. Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass sich immer mehr muskelbepackte Schränke, vierschrötige Typen und Furcht einflößende Stiernacken im Sportdress auf dem Spielfeld aufbauen. Dass die Muskeln nicht nur mit Hilfe von Vitaminen und Hamburgern wachsen, sei nur am Rande vermerkt. Der Trend geht hin zum Gladiatorentum, weg vom sportlichen Normalo.

Die NFL-Profis, von jeher im Visier der Diätiker, spiegeln dabei den Trend in Amerikas Gesellschaft. Von den USA lernen heißt wiegen lernen, könnte man sagen. Vor allem die Unterschichten kämpfen aufgrund von Fast-Food-Verlockungen und Bewegungsarmut gegen voluminöse Schwimmringe, die sich wie Stigmata um ihre Leiber legen. 59 Millionen Amerikaner sind fettleibig nach BMI-Kriterien, Tendenz: steigend.

Nun könnte man ketzerisch anführen, der Amerikaner hat nicht nur den Körper, den er verdient, sondern auch die Sportarten, die ihm gebühren. Baseball zum Beispiel, ein Sport, der auch etwas für den Pykniker ist. Hier ist kein Schläger schwingender Carl Lewis gefragt. Von Base zu Base kommt auch der Kurzatmige. Im Football dürfen Problemfälle der Weight Watchers Schlüsselrollen im Team bekleiden. Die Abräumer und Blocker sind von jeher stämmige Burschen, denen es regelrecht verboten ist abzunehmen. Wer den Rammbock mimt, der muss sich wappnen. Wie nun bekannt wurde, leiden die dicken NFL-Profis unter Schlafstörungen, hohem Blutdruck und schlechten Cholesterinwerten. Eines haben sie der breiten Masse in den USA freilich voraus: Sie genießen eine exzellente medizinische Betreuung.

Obelix, der einst das Blocken und Tackeln mit den Römern übte, hat, wegen seiner Körperfülle gehänselt, stets souverän reagiert. Er sei nur dick angezogen, hat der Gallier seinen Kritikern entgegengehalten. Shaquille O’Neal könnte immerhin sagen: „Ich bin nicht dick, ich bin nur dick bepackt.“ Mit Muskeln, versteht sich. MARKUS VÖLKER