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Archiv-Artikel

Frisch, aber zu weich

Für Spaniens Fußballer geht es heute in Belgrad schon um die direkte Qualifikation für die WM 2006. Bei einer Niederlage müssten sie nachsitzen – und Trainer Aragonés geriete gewaltig unter Druck

AUS MADRID REINER WANDLER

Es geht ums Ganze, wenn die spanische Fußball-Nationalmannschaft heute Abend in Belgrad gegen Serbien-Montenegro antritt. Die Exjugoslawen führen die europäische Gruppe 7 zur Qualifikation für die WM 2006 in Deutschland mit zehn Punkten an, Spanien liegt zwei Zähler dahinter und somit auf Rang zwei. Sollten die Kicker von der Iberischen Halbinsel heute verlieren, wäre ein Ticket nach Deutschland, wenn überhaupt, nur noch über die Ehrenrunde der besten Gruppenzweiten zu lösen.

„Wir brauchen ein Ergebnis, das alle beeindruckt – die Spieler und unsere Anhänger“, erklärt deshalb Nationaltrainer Luis Aragonés. Der 66-jährige ehemalige Coach von Atlético Madrid übernahm die Selección im vergangenen Sommer. „Wir können nicht das ganze Leben lang denken, wir sind die Besten, und nachher gewinnen wir nicht“, beschreibt Aragonés das Problem, das er beseitigen soll. All das steht und fällt mit einem Sieg in Belgrad.

Für die spanische Presse hat die Begegnung in Belgrad nicht nur deshalb historische Dimensionen. War es doch die jugoslawische Elf, an der die WM-Träume der Iberer mehr als einmal scheiterten – zum letzten Mal 1990 bei der WM in Italien; damals schickte der Mittelfeldspieler Dragan Stojkovic die Spanier mit zwei Toren nach Hause.

Der Torschütze von einst wird heute Abend wieder mit von der Partie sein. Er sitzt als Präsident des serbisch-montenegrinischen Fußballverbandes auf der Ehrentribüne. Stojkovic hat eigens die Fanclubs der Belgrader Erzrivalen Partisan und Roter Stern einberufen, um sie davon zü überzeugen, ihre Feindschaft im nationalen Interesse für einen Tag ruhen zu lassen. Gemeinsam werden sie ihre Nationalelf anfeuern. Trainer Petkovic forderte sogar seine Spieler auf, sich nicht zu rasieren „um dem Gegner Angst einzuflößen“.

„Das Publikum spielt nicht mit. Wenn wir so viel laufen wie die anderen, gewinnen wir“, winkt der spanische Verteidiger Pablo Ibañez von Atlético Madrid dennoch gelassen ab. Leicht wird es für die Spanier dennoch nicht. Die serbisch-montenegrinische Nationalmannschaft wird von vielen als die Newcomerelf gefeiert. Nachdem sie weder bei der WM 2002 noch bei der EM 2004 mit von der Partie waren, blieb dem neuen Nationaltrainer Ilija Petkovic nichts anderes übrig, als die Mannschaft komplett umzugestalten. Das Ergebnis: eine junge, solide Elf, mit einem gefährlichen Sturm um den Chelsea-Spieler Mateja Kezman sowie einer Verteidigung, die bisher bei den Gruppenspielen keinen einzigen Gegentreffer kassierte. „Spanien wird sich einem Gegner stellen müssen, der gut vorbereitet ist. Die Spieler wollen etwas Großes vollbringen indem sie zur WM fahren“, lobt der serbische Trainer Radomir Antovic.

Auch die Elf von Luis Aragonés ist das Produkt eines Neuanfangs. Nur wenig erinnert an die Mannschaft, die bei der letzten WM gegen Gastgeber Korea im Viertelfinale ausschied. Nationaltrainer Aragonés baut auf viele neue Spieler. Als „frisch, aber zu weich“ bezeichnet die Tageszeitung El Mundo das Ergebnis. Die Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von nur 24 Jahren konnte die Schreiber der Sportseiten bisher nicht überzeugen. Zu berechenbar sei ihr Spiel, lautete das Urteil.

Umso wichtiger sind die wenigen Spieler mit Erfahrung, allen voran Kapitän Raúl. Doch ausgerechnet beim Stürmer von Real Madrid ist nicht klar, ob er von Anfang an dabei sein kann. Zwar hat er eine schwere Verletzung auskuriert, doch ob die Form über 90 Minuten reicht, darf bezweifelt werden, vermutlich wird ihn Luis Aragonés erst später einwechseln. Der Angriff wird sich dann wohl aus Ivan de la Peña von Espanyol Barcelona und dem jungen Fernando Torres (Atlético) zusammensetzen.

Wie auch immer: Falls die spanische Elf verliert, wird es für Aragonés eng. Längst ist der 66-Jährige nicht mehr unumstritten. Schuld daran ist nicht nur der mäßige Fußball seiner Elf, sondern auch seine rassistischen Ausfälle. So schrie der spanische Nationaltrainer seinen Mittelfeldspieler Reyes im Trainingscamp vor versammelter Journalistenschar an: „Du bist besser als dieser Scheißneger!“ Er meinte damit Reyes Teamkollegen bei Arsenal London, Thierry Henry. Der spanische Fußballverband drückte damals zwei Augen zu. Aragonés kam mit einer Strafe von 3.000 Euro davon.