: Umstrittener Leiter des Öko-Instituts nimmt seinen Hut
BERATER Joachim Lohse verlässt das wichtigste private Umweltforschungsinstitut in Deutschland
BERLIN taz | Der Chef des Öko-Instituts, Joachim Lohse, ist zurückgetreten. Der Geschäftsführer sei bereits zum Freitag „in beiderseitigem Einvernehmen“ ausgeschieden, erklärte Deutschlands wichtigstes privates Umweltforschungsinstitut am Mittwoch. „Es gab Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und Geschäftsführer darüber, wie die Geschäftsführung intern wahrgenommen wird“, sagte Vorstandssprecher Helmfried Meinel der taz. Bisher sei nur ein kommissarischer Nachfolger ernannt. Der 50-jährige Lohse, der noch kein neues Engagement hat, begründete den Rückzug mit „unterschiedlichen Auffassungen über die Leitungsstrukturen“.
Das Öko-Institut hatte zuletzt mit einer Pestizidliste für den Lebensmittelhändler Edeka Negativschlagzeilen geerntet. Edeka hatte auf Rat der Wissenschaftler hin seinen Bauern Chemikalien als „unbedenklich“ empfohlen, die nachweislich besonders gefährlich sind. Für Gegner von eigenen Grenzwerten und Pestizidlisten des Handels war das eine Steilvorlage.
Vorstandssprecher Meinel bestreitet aber, dass dieser Fauxpas der Grund für Lohses Weggang gewesen sei. „Es hat keinen Streit über die Edeka-Liste gegeben“, sagt Meinel. Auch die Kritik von Umweltschützern am Klimaschutzprojekt „Green Goal“ für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland habe keine Rolle gespielt. Das Öko-Institut hatte damals erklärt, die WM werde keine schädlichen Auswirkungen auf das Weltklima haben. Umweltschützer bemängelten allerdings seinerzeit, dass Straßenbau und internationaler Flugverkehr zur WM nicht beachtet worden seien.
Meinel zieht eine positive Bilanz von Lohses Amtszeit: Der studierte Chemiker habe „einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass sich das Institut in den vergangenen sechs Jahren hervorragend entwickelt hat“.
Hintergrund für den Personalwechsel ist Meinel zufolge eine „Diskussion um Führen und Leiten im Institut“. Eine Frage laute: „Was erwarten wir von führenden Personen in einem Institut mit flachen Hierarchien?“ Um sie zu beantworten, müsse auch die Struktur diskutiert werden. Änderungen könnten das Profil der Geschäftsführerstelle beeinflussen.
Damit begründet Meinel, weshalb es noch keinen Nachfolger für Lohse gibt. Erst wenn das Stellenprofil feststeht, werde ein neuer Geschäftsführer bestimmt. „Bis zum Herbst wird es so weit sein“, kündigt der Vorstandssprecher an.
Das Öko-Institut berät Behörden und Unternehmen in Umweltfragen. Seine Experten berechnen zum Beispiel für die Bundesregierung, wie viel des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland ausgestoßen wird. Neben Edeka zählen aber auch Firmen wie die Autohersteller DaimlerChrysler oder Nissan zu den Kunden des gemeinnützigen Vereins. Die Organisation, die 1977 aus der Anti-Atomkraft-Bewegung hervorgegangen ist, beschäftigt etwa 130 Mitarbeiter in Freiburg, Darmstadt und Berlin. Sie erwirtschaftete 2008 einen Umsatz von rund 9 Millionen Euro. JOST MAURIN