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Archiv-Artikel

Zwischen Natur und Naziruinen

Der Nationalpark Eifel entwickelt sich zunehmend zu einem wahren Touristenmagnet. Doch nicht nur seltenen Tier- und Pflanzenarten locken viele Besucher in die Region. Auch die Geschichte hat ihre Spuren in dem Grenzgebiet hinterlassen

VON ULLA JASPER

Nordrhein-Westfalen – ein Mekka für Touristen und Urlauber? Das klingt im ersten Moment nicht gerade überzeugend. Doch zumindest die Eifel entwickelt sich seit Jahren mehr und mehr zu einem attraktiven Urlaubsziel für (Kurz-) Urlauber aus NRW und den angrenzenden Benelux-Staaten. Im Jahr 2004 ist die Zahl der Gäste um mehr als 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, die Zahl der Übernachtungen sogar um 22 Prozent.

Ein Grund dafür ist nicht zuletzt die Gründung des Nationalparks Eifel, dem ersten nordrhein-westfälischen Nationalpark, am 1. Januar 2004. Damals hat die Landesregierung NRW das rund 65 Kilometer südwestlich von Köln gelegene, fast 11.000 Hektar große Gebiet unter Schutz gestellt und zu einem Nationalpark erklärt. Ziel der damit verbundenen, strengen Auflagen ist es, die natürliche Eigendynamik zu erhalten, die landschaftliche Unversehrtheit zu gewährleisten und den Besuchern die Möglichkeit zu geben, die Natur zu erleben und kennen zu lernen. Genau dieser „Natur-Bildungsauftrag“ ist es, der Nationalparks von einfachen Natur- oder Landschaftsschutzgebieten unterscheidet. Im Bundesnaturschutzgesetz heißt es dazu: „Soweit es der Schutzzweck erlaubt, sollen Nationalparks auch der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienen.“

Und was die Natur angeht, so bietet die Nordeifel einer Vielzahl an Pflanzen- und Tierarten, die vielerorts bereits vom Aussterben bedroht sind, einen Lebensraum. Bislang konnten bereits mehr als 230 gefährdete Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen werden – von der Wasserfledermaus über die Wildkatze bis hin zur Geburtshelferkröte oder dem Waschbär.

Doch berühmt ist die Nordeifel vor allem für etwas anderes, nämlich die großflächigen Buchenwälder. Bislang sind die verschiedenen Buchenarten, die eigentlich in Deutschland ihren Verbreitungsschwerpunkt haben, nur unzureichend geschützt. Der Nationalpark Nordeifel soll diese Schutzfunktion in Zukunft gewährleisten. Dort, wo früher Buchen gefällt wurden, sollen die Menschen in Zukunft miterleben können, wie über Jahrzehnte Buchen-Urwälder entstehen.

Kleine und große Großstadtmenschen können zudem an geführten Wanderungen mit „Rangern“, zertifizierten Landschaftsführern, oder ehrenamtlichen Waldführern teilnehmen und sich Flora und Fauna erklären lassen. „Im vergangenen Jahr nahmen mehr als 16.000 Besucher an geführten Wanderungen teil“, erklärt Heiko Schumacher, Projektleiter des Fördervereins. Führungen in acht verschiedenen Sprachen können mittlerweile vermittelt werden. Für ein vorbildliches Novum sorgt zudem das Gehörlosenzentrum Euskirchen: es organisiert gebärdensprachliche Führungen für gehörlose Naturfreaks.

Doch nicht nur wegen seiner Naturvielfalt ist der Nationalpark für Besucher spannend. Auch die Geschichte hat ihre Spuren hinterlassen. Mitten im Naturschutzgebiet, südlich des Urftsees, liegt noch heute die frühere „NS-Ordensburg Vogelsang“, eine von drei nationalsozialistischen „Kaderschmieden“ in Deutschland. Hier sollte ab 1936 die Nazi-Elite geschult und ausgebildet werden – es entstanden Unterkünfte für 1.000 „Junker“, Sportanlagen und Schulungsräume. Die Monumentalarchitektur der Gebäude – allein die so genannte Burg ist 210 Meter breit – spiegelt die NS- Ideologie wider und ist angelehnt an mittelalterliche Ritterorden.

Nachdem die Burg dann im Februar 1945 von US-Truppen eingenommen worden war, wurde sie für mehrere Jahrzehnte zu einem Stützpunkt und Übungsgelände für Nato-Soldaten. Noch heute ist deshalb rund ein Drittel des Nationalparks militärisches Sperrgebiet, das Besucher nur an bestimmten Tagen und auf extra ausgewiesenen Wegen durchwandern dürfen. Trotz der Umweltbelastung durch Manöver und Munitionsrückstände, die an einigen Stellen vermutlich noch Jahrzehnte den Boden belasten werden, konnte sich selbst innerhalb des Militärareals ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere entwickeln, die anderswo kaum noch zu finden sind.

Wenn das belgische Militär, das den Truppenübungsplatz heute noch nutzt, Ende dieses Jahres sein Militärpersonal vollständig abgezogen und das rund 3.300 Hektar große Areal zurückgegeben hat, wird das Sperrgebiet Schritt für Schritt den Besuchern des Parks zugänglich gemacht werden – genauso wie die Burg, die heute Camp Vogelsang genannt wird. Gemeinsam mit dem Konversionsbeauftragten der Landesregierung entwickeln das Nationalparkforstamt und der Förderverein zurzeit Pläne für eine zivile Nutzung der Anlage, für die es bereits viele Vorschläge und Ideen gibt.

Wie die Gebäude jedoch konkret genutzt werden sollen, ist noch nicht entschieden. Eine Entwicklungsgesellschaft, an der sich Land, Bund, die Kreise sowie Förderverein und die Nationalparkverwaltung beteiligen sollen, wird in den nächsten Monaten ein Konzept vorlegen. Im Gespräch sind Ausstellungen zur Geschichte der Burg und zur Entstehung des Parks. Der Jugendherbergsverband plant darüber hinaus, eine internationale Begegnungsstätte in Teilen der Burg einzurichten. „Konsens ist bis jetzt vor allem, dass die Anlage nicht abgerissen werden darf“, so Schumacher. Man dürfe Geschichte schließlich nicht „im Boden einstampfen“.