: Schlimmste Fehlerquelle
Sonderausschuss wegen Jessicas Hungertod ergab, dass das Jugendamt Wandsbek auf Hinweise nicht reagiert hatte. Senator räumt Fehler und Personalmangel ein
Nach dem Tod der kleinen Jessica arbeiten in Hamburgs Behörden drei getrennte Arbeitsgruppen die Folgen auf. Das ergab der Sonderausschuss der Bürgerschaft am Dienstagabend. Neben der von der Justizbehörde geleiteten AG „Informierte Jugendhilfe“ und einer der Bildungsbehörde zur Erstellung eines Schülerregisters gibt es auch noch eine AG der Jugendbehörde mit den Bezirken. Es sei nach diesem Vorfall „das Normalste der Welt, dass sich schnell Mitarbeiter zusammentun“, erklärte Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) auf die Frage der SPD, ob das Nebeneinander sinnvoll sei.
Die dritte AG leitet Wolfgang Hammer, Vize-Chef der Jugendbehörde, der bereits einen Katalog von Maßnahmen vorstellte, um vernachlässigte Kinder zu schützen. So soll ein „Frühwarnsystem“ in Kooperation mit Kliniken, Mütterzentren und Kinderärzten installiert und der Einsatz von „Familienhebammen“, die auch Sozialarbeit machen, ausgeweitet werden.
Hammer lieferte zudem neue Informationen über Jessicas Mutter. So habe diese erklärt, als sie 1990 mit 20 Jahren erstmals schwanger war, sie fühle sich überfordert und wolle das Kind zur Adoption freigeben. Als dies acht Monate nach der Geburt geschah, habe es Anzeichen gegeben, dass das Kind im Bett angebunden wurde. Darüber hinaus gab es, so Hammer, bei den weiteren drei Kindern, darunter als jüngste Jessica, nach Aktenlage „keine Kindeswohlgefährdung“. Auch die Anfrage des Familiengerichts beim Jugendamt sei nur routinemäßig erfolgt, um das Sorgerecht zu klären. Hammer: „Das Jugendamt Wandbek erfuhr von der Existenz des Kindes erst nach seinem Tod.“
Allerdings war 1999 eine Sozialarbeiterin in der Wohnung und wunderte sich, dass sie nicht das Kinderzimmer betreten durfte. Über ihre Meldung ans Jugendamt, dem nachzugehen, existiert keine Aktennotiz. Das, räumt Hammer ein, hätte nicht passieren dürfen. Die „schlimmste Fehlerquelle“ sieht hier GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch und vermutet einen Zusammenhang mit der Unterbesetzung des Wandsbeker Jugendamtes. Dort sind 13 Prozent der Stellen unbesetzt. Jürgen Warmke-Rose von der Finanzbehörde versprach im Ausschuss, „was dagegen zu tun“. Kaija Kutter
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen