: Wohnen mit ALG-II
Es gibt kaum Wohnungen in Bremen, die mit ALG II bezahlbar sind und in Annoncen angeboten werden. Augenmaß entscheidet
Bremen taz ■ Die vorgegebenen Höchstmieten, die ALG-II-Empfängern erstattet werden, sind sozial nicht haltbar, das ist das Fazit aus dem „1. Bremer Mietspiegel 2004/05“. Aus den Bremer Montagsdemos ging der frisch gegründete „Soziale Lebensbund“ hervor, dessen Mitglieder Matthias Brittinger und Ralph Mels für die Mietpreis-Übersicht seit Oktober Inserate für 3315 Bremer Wohnungen ausgewertet haben.
Das Ergebnis: Durchschnittliche Kaltmieten für kleine Wohnungen in Bremen liegen um 25 bis 45 Euro über dem erstattungsfähigen Regelsatz von 245 Euro (inklusive Wasser und Gebühren) für alleinstehende ALG-II-Bezieher. Selbst in Bremen-Nord liegt die Durchschnitts-Kaltmiete (mit 248 Euro für Wohnungen bis 50 Quadratmeter) über diesem Satz. Natürlich schließt die hohe durchschnittliche Miethöhe nicht einzelne preiswertere Wohnungen aus.
Ein echter Mietspiegel ergibt sich aus den Inseraten nicht, schon weil gerade vermietete Wohnungen nicht berücksichtigt sind. Es gebe außerdem aufwändige wissenschaftlich abgesicherte Verfahren für offizielle Mietspiegel, erklärt Reinhard Josties, Geschäftsführer des Mietervereins Bremen. Die Kosten – schätzungsweise 500.000 Euro – würden alle zwei Jahre anfallen, da der Mietspiegel aktualisiert werden muss. Für den politischen Protest gegen die ALG-II-Mietregelung taugt der derzeitige Test allerdings, auch ohne die rechtliche Funktion eines echten Mietspiegels erfüllen zu können.
Die billigere Alternative für einen Mietspiegel ist ein Mietkataster. Vor einigen Jahren sei versucht worden, so etwas in Bremen einzurichten. Das Projekt scheiterte am Datenschutzrecht, so Josties, der es generell nicht für sinnvoll hält, da die Datenbasis in einem solchen freiwilligen Kataster unsicher sei. Dadurch werde es manipulationsanfällig, etwa um hohe ortsübliche Vergleichsmieten als Argument für Mieterhöhungen zu gewinnen.
Als einzige deutsche Stadt, sagt der Mieterverein-Geschäftsführer, habe Hannover ein solches Mietkataster. In Bremen müsse im Zweifelsfall weiterhin vor Gericht von Gutachtern entschieden werden, was eine ortsübliche Vergleichsmiete ist.
Unterdessen hält Matthias Brittinger nicht für ortsüblich, worauf er in seiner Recherche als Höchstpreise stieß: ein 15-Quadratmeter-Zimmer für 270 Euro oder 75 Quadratmeter für 1.100 Euro – kalt, versteht sich. Brittinger, selbst 1-Euro-Jobber, kündigt an, der „Soziale Lebensbund“ wolle die Statistik an Bausenator und Sozialsenatorin überreichen, um darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der vorläufigen ALG-II-Miethöhe nur vereinzelte Wohnungen, vor allem in Randbezirken, zu finden seien.
Auch Reinhard Josties findet, dass „für Alleinstehende die von der Bagis veranschlagten Mietkosten zu niedrig sind.“ Er macht das am Eigenbeitrag Bedürftiger im Sozialen Wohnungsbau fest: der liege bei angemessener Größe bereits bei etwa 255 Euro Kaltmiete. Die zugespitzte Konsequenz: „Sozialwohnungen dürfen von alleinstehenden ALG-II-Empfängern nicht bewohnt werden.“ Entscheidend sei jetzt die Handhabung: Die Bagis müsse Spielräume im Einzelfall „mit Augenmaß“ ausloten. MKR