Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Kolberg“, 31. 3. in der Urania„Das Cabinet des Dr. Caligari“ 3. 4., „Orlac’s Hände“ 5. 4 im Arsenal 1„Ray“ 31. 3.–6. 4. im Bundesplatz-Studio, Capitol Dahlem, Kino im Kulturhaus Spandau, Kino Kiste, Die Kurbel 2, Passage 3

Für die Propaganda war seinerzeit nichts zu aufwändig: Mitten im Krieg stellte die Wehrmacht rund 190.000 Soldaten als Komparsen für die Schlachtszenen in Veit Harlans in Farbe gedrehten Durchhalteepos „Kolberg“ zur Verfügung, das am Beispiel des Widerstands unbeugsamer Bürger in der von napoleonischen Truppen belagerten Festungsstadt Joseph Goebbels’ wahnwitzige Idee des „Volkssturms“ illustrieren sollte. Tatsächlich ist das salbungsvolle Geschwafel, mit dem General Gneisenau (Horst Caspar) dem König die Idee eines Bürgerheeres einreden will, beinahe wörtlich den Reden des Propagandaministers entnommen. Ansonsten kreist die Geschichte einmal mehr um die Opferbereitschaft des Volkes: Maria (Kristina Söderbaum) hat am Ende bis auf ihren Patriotismus alles verloren – ihren Geliebten, ihren Vater, ihren Bruder sowie Haus und Hof. Eine nachvollziehbare propagandistische Wirkung hatte der Film übrigens nicht mehr: Als „Kolberg“ am 30. Januar 1945 zur Uraufführung kam, war der Krieg schon fast vorbei – und im zerbombten Deutschland gab es kaum noch Kinos, die das pathetische Schlachtengemälde hätten zeigen können.Im Rahmen einer kleinen Hommage an den Schauspieler Conrad Veidt zeigt das Arsenal-Kino zwei Filme von Robert Wiene: Neben dem Klassiker des Expressionismus „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (1920), in dem Veidt als Somnambuler zu sehen ist, beweist auch „Orlac’s Hände“ (1924) Wienes Sinn für die Inszenierung des Unheimlichen. In dem psychologischen „Horror“-Film gestaltet Veidt eindrucksvoll expressiv die Rolle eines seelisch zerrissenen Pianisten, dem die Hände eines vermeintlichen Raubmörders transplantiert werden und der sich daraufhin in die Wahnvorstellung hineinsteigert, dass die Hände nach Verbrechen gieren.Es mag Sänger gegeben haben, die noch „echter“ klangen, doch das Verdienst von Ray Charles bestand gerade darin, dass er seine vom Gospel inspirierte Rhythm-&-Blues-Musik in den Fünfzigerjahren auch einem weißen Publikum zugänglich machte. Damit beeinflusste er die weitere Entwicklung der Rockmusik nicht ganz unwesentlich: Fast jede Beatcombo der frühen Sechziger hatte Charles-Songs wie „What’d I Say“, „I Got a Woman“ oder „Hallelujah, I Love Her So“ in ihrem Repertoire. So ist es nur konsequent, wenn sich Regisseur Taylor Hackford in seiner filmischen Biografie „Ray“ auf die Zeit der künstlerischen Höhepunkte des blinden Musikers beschränkt und vor allem jene Jahre zeigt, in denen Charles’ Musik noch mitreißend und originell war. Die durch die hämmernden Rhythmen und anzüglichen Texte sexuell aufgeladene Atmosphäre schwitziger Clubs ist im Film exzellent getroffen. Darüber hinaus gibt Jamie Foxx einen überzeugenden Ray Charles und spart auch dessen menschlich wenig angenehme Seiten nicht aus. Auf dem Soundtrack hört man dann sowieso den wahren Ray Charles, der das Projekt, um das sich Hackford seit fünfzehn Jahren bemühte, bis zu seinem Tod im Juni 2004 unterstützt hat.LARS PENNING