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Archiv-Artikel

„Strengere Kontrollen sind notwendig“

Stephan Schwarz, Chef der Handwerkskammer, kritisiert mangelnde Sanktionen bei Missbrauch von 1-Euro-Jobs

taz: Herr Schwarz, seit drei Monaten gibt es in Berlin 1-Euro-Jobs. Inzwischen sind es rund 7.400. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?

Stephan Schwarz: Die Pilotphase fing ja schon am 1. Oktober an. Seitdem beobachten wir vermehrt Fälle von Missbrauch: Aufträge werden nicht an die bisherigen Betriebe, sondern an 1-Euro-Jobber vergeben. Dies ist durch den Gesetzgeber aber ausdrücklich verboten. Konkrete Fälle gibt es zum Beispiel in Neukölln, wo Aufgaben wie Umzüge, die normalerweise an Speditionsunternehmen vergeben werden, durch 1-Euro-Jobber erledigt werden. Hinzu kommt eine Vielzahl von Schulen, die von 1-Euro-Jobbern renoviert werden. Damit werden Betriebe verdrängt.

Gibt es konkrete Fälle von Pleiten im Handwerksbereich, die auf die 1-Euro-Jobs zurückzuführen sind?

Was wir im Moment beobachten, ist, dass die Betriebe bei der Auftragsvergabe leer ausgehen und deshalb viele Mitarbeiter entlassen werden müssen. Besonders stark betroffene Bereiche sind die Malerbetriebe und die Ausbauhandwerker, aber auch benachbarte Bereiche wie die Grün- und Landschaftspflege oder Speditionsfirmen.

1-Euro-Jobs sollen zusätzlich zum bestehenden Arbeitsplatzangebot sein. Wie können sie dann traditionelle Betriebe gefährden?

In dem Gesetz wird eindeutig klargestellt, dass durch 1-Euro-Jobs keine Verdrängung stattfinden soll, also weder vorhandene Arbeitsplätze gefährdet noch potenzielle Neueinstellungen verhindert werden dürfen. Das Problem ist aber der Missbrauch – und dass dieser nicht verfolgt wird. Wir sehen im Moment keinerlei Kontrollen und obendrein auch keine Sanktionen.

Was müsste getan werden?

Wir würden uns wünschen, dass bei aufgedecktem Missbrauch die gesamte Förderung von monatlich 500 Euro pro Arbeitsplatz von den zwischengeschalteten Trägergesellschaften zurückgezogen wird. Das Verhalten dieser Gesellschaften grenzt schon an Betrug, weil in manchen Förderanträgen andere Aufgaben angegeben als anschließend durchgeführt werden. Hier könnte sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet werden.

In den Arbeitsagenturen sollen so genannte Beiräte zur Kontrolle der 1-Euro-Jobs eingerichtet werden. Arbeiten diese schon?

Nein. Sie sind zwar teilweise schon eingerichtet, arbeiten, soweit ich weiß, aber noch nicht. Tatsächlich sind die Beiräte ein relativ schwaches Instrument zur Kontrolle. Sie könnten aber dadurch, dass sie die Anträge und die Vergabe der Fördermittel überprüfen, mehr Transparenz schaffen. Bisher ist es ja so, dass es überhaupt keinen Einblick gibt. Missbräuche werden, wenn überhaupt, von Zeitungen aufgedeckt. Strengere Kontrollen und Sanktionen sind deshalb dringend notwendig.

INTERVIEW: NICO STORZ