: „Keine Werbung fürs Frauenboxen“
Otto Münsterer trainiert boxende Männer und Frauen. Mit der taz sprach er über den Film „Million Dollar Baby“. Hat die Geschichte vom alternden Trainer und der jungen Boxerin Vorbildcharakter?
INTERVIEW: LUTZ DEBUS
taz: Wie fanden Sie Million Dollar Baby?
Otto Münsterer: Dramaturgisch ist der Film gut gemacht. Die Darstellung der Boxszenen jedoch sind Geschmackssache.
Klaffende Fleischwunden hochauflösend abgefilmt. Verfestigen solche Aufnahmen Klischees über den Boxsport?
Ich denke, der Film wollte ohnehin keine Klischees ausräumen.
Die Kulisse des Films, die „Hit Pit Gym“ atmet den Flair der Vierziger Jahre. Sieht es bei Bayer‘s Boxabteilung genau so nostalgisch-schmuddelig aus?
Nostalgisch würd ich das nicht bezeichnen. Die Trainingsräume sind zeitgemäß ausgerüstet. Es ist nur viel zu eng in der Bude.
Maggie Fitzgerald will sich aus ihrer trostlosen sozialen Situation nach oben boxen. Was ist die Motivation Ihrer Boxschüler?
Tatsächlich ist die Motivierung der Athleten ein Kernpunkt im Trainingsbetrieb. So extreme Situationen finden Sie bei uns kaum vor. Äußere Umstände zwingen selten einen jungen Menschen, sich nach oben boxen zu müssen. Einzelfälle gibt es aber tatsächlich auch bei der Bayer-Boxstaffel. In der Regel ist es die Arbeit der Trainer, ein Klima zu schaffen, bei dem die Athleten die Einstellung gewinnen, es sich selbst zu beweisen.
Clint Eastwood als Boxtrainer ist Vater und Gott in einer Person für die jungen Sportler. Ist diese Rolle realistisch nachgezeichnet für einen Coach?
So sollte sie meiner Meinung nach nicht sein. Ich halte eigentlich jeden Athleten, der für Kämpfe im Ring in Frage kommt, für mündig. Der Trainer schafft die Bedingungen für ein seiner Meinung nach optimales Training. Damit wird dem Boxer Gelegenheit gegeben, seine Aufgabe zu erfüllen. Der Boxer muß sich zwar unterordnen, soll dabei aber kritisch bleiben dürfen.
Frauen im Boxsport sind nun auch im Kino angekommen. Was halten Sie von der Gleichberechtigung im Ring?
Wer aufgehört hat, an den Unterschied zwischen Mann und Frau zu glauben, kann diese zweifelhafte Gleichberechtigung gut finden. Ich jedenfalls nicht. Boxweltmeisterin Regina Halmich hat zu diesem Thema mal über mich gesagt, der Mann müsste seinen Horizont erweitern. Ich kann ihr versprechen, dass ich das jeden Tag versuche zu tun. In dem Punkt bin ich aber noch nicht weiterkommen.
Zum Schluß stirbt das schöne Biest. Mit Hilfe von Eastwood. Ist das nur Hollywood oder ist so ein Ende tatsächlich beim Boxen realistisch?
In dem beim TSV Bayer praktizierten Olympischen Boxen ist so eine Verletzung undenkbar. Beim Profiboxen, wohlgemerkt, gab es schon Fälle von ähnlicher Tragik. Aber solche Unfälle geschehen bei anderen risikoreichen Sportarten auch. Man denke an Drachenfliegen oder Tauchen. Es ist natürlich noch eine Spur perverser, wenn im Ring eine Frau die andere zum Krüppel schlägt. Doch nicht einmal im Profiboxen sind für mich solche Kampfszenen, wie sie im Film dargestellt wurden, realistisch. Abgesehen davon würde ich die weibliche Hauptperson nicht als Biest bezeichnen. Eher verletzt und verweifelt, die dann aber glaubt, ihre Aufgabe gefunden zu haben.
Rechnen Sie mit Dutzenden von boxinteressierten Frauen in den nächsten Wochen in Leverkusen?
Nein, das ist nicht anzunehmen. Der Film war meiner Meinung nach keine Werbung fürs Frauenboxen.