Village Voice : Deine Lakaien
Wie passen denn die zusammen? Deine Lakaien, Deutschlands beliebteste Gothic-Grummler, und Farin Urlaub, Oberarzt auf lebenslanger Vergnügungsdampferreise, friedlich zusammen vereint in einer Plattenkritik? Diametraler geht’s doch kaum. Oder? Bei näherer Betrachtung ihrer aktuellen Werke stellt sich allerdings heraus, dass sie gar nicht so weit voneinander entfernt sind: Deine Lakaien sind auf „April Skies“ sehr viel komischer als angenommen. Und Farin Urlaub war auch schon mal witziger als auf „Am Ende der Sonne“. Aber Urlaub demonstrierte ja bereits auf seinem ersten Solo-Album „Endlich Urlaub!“ mit der Parodie „Sumisu“, dass er das Gruften-Handwerk vorzüglich beherrschte. Und Alexander Veljanov, die singende Berliner Hälfte der Lakaien, legte stets großen Wert darauf, dass er und sein Münchner Partner Ernst Horn humorvoll oder gar ironisch verstanden werden wollen, auch wenn das dem allergrößten Teil seiner Anhängerschaft stets verborgen blieb. Tatsächlich haben Deine Lakaien lange schon nichts mehr am Haarnest mit den dumpfen Klischees musizierender Friedhofsschwalben, das wird auf „April Skies“ deutlich wie nie. Zwar singt Veljanov immer noch von gefrorenen Herzen und stillen Nächten, aber eben auch vom Gruppenträllern auf dem Supermarkt-Parkplatz. Dazu programmiert Horn eine Soundkulisse aus dahingetupften Elektro-Beats, diffusen Frauenseufzern und dem obligatorischen Cello, bemüht sich aber um völlig ungewohnte Abwechslung, lässt manchen Rhythmus auch mal stolpern, durchbricht die Idylle mit einer sägenden Gitarre oder zitiert aktuelle Popformate. In mancher Melodieführung kommt nun sogar die mittelaltermusikalische Seite zum Tragen, die er sonst mit Qntal erkundet. Mit ihrem achten Album zementieren Deine Lakaien ihren Status als mutigste Band in einer Szene mit Scheuklappen.Einigermaßen mutig ist es auch von Jan Vedder, seinen stets nur neue Scherze erwartenden Fans als Farin Urlaub eine Platte aufzutischen, die zwar wieder fast ganz allein eingespielt, aber eindeutig schwerer zu verdauen ist als ihr Vorgänger: Statt wieder fröhlich durch alle verfügbaren musikalischen Genres zu taumeln, beschränkt er sich diesmal auf „Am Ende der Sonne“ auf wenige Spielarten soliden Rockhandwerks mit zwei Ausflügen in den Ska. Vor allem aber hat sich Urlaub wohl vorgenommen, die immer wieder mal aufscheinende Kritik an seinen lyrischen Fähigkeiten mit einem dichterischen Großversuch zu begegnen. Seine alten Songs waren wie gute Witze, bei denen man beim ersten Vortrag herzhaft lachte und beim zweiten Mal zumindest schmunzelte, weil sie gut erzählt waren. Bei den neuen Songs hat er entweder die Pointe vergessen oder sie erst gar nicht lustig gemeint. Das ist sein gutes Recht, aber auf der Baustelle der Schwermut kennen sich einige halt entschieden besser aus als unser Arzt auf Abwegen. Tatsächlich ist ein Farin Urlaub, der ganz ernsthaft von Liebe und Romantik, von Freundschaft und Traurigkeit singt, fast gruseliger als das, was manche Gothic-Kapelle Schauerliches zustande bringt.THOMAS WINKLER