: Nicht nur Schröder gegen China-Embargo
Auf EU-Ebene wird bereits seit eineinhalb Jahren auf ein Ende des Waffenembargos gegen China hingearbeitet.Wenn es um neue EU-Richtlinien für Rüstungsexporte geht, muss der Kanzler allerdings auf den Bundestag hören
FREIBURG taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) setzt sich dafür ein, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben, auch gegen den Willen des Bundestages. Dagegen regt sich nicht nur Widerspruch aus der Politik, auch die rechtliche Seite ist unklar. Denn in der Europapolitik kann Kanzler Schröder ein Votum des Bundestages nicht einfach übergehen.
Nach einem Gesetz von 1993 muss er Vorgaben des Bundestags seiner Verhandlungsposition in Brüssel „zugrunde legen“. Dies gilt auch für die Schaffung einheitlicher EU-Bestimmungen über Rüstungsexporte, wohl aber nicht bei der umstrittenen Aufhebung des Waffenembargos gegen China.
Das Embargo war 1989 vom Europäischen Rat nach dem chinesischen Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens beschlossen worden. Anschließend gab es aber keine rechtsverbindliche EU-Verordnung, die die Einzelheiten des Embargos festlegt. Derzeit entscheidet jeder EU-Staat selbständig, wie er das Embargo versteht. Frankreich und Großbritannien zum Beispiel liefern nach Darstellung des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri durchaus militärische Güter an China – solange diese nicht tödlich sind.
Wie das Auswärtige Amt betont, ist die Auslegung des Embargos für Deutschland einfach, denn nach der strengen deutschen Rechtspraxis dürften ohnehin keine Rüstungsgüter nach China geliefert werden. „Wir bekommen nur ganz wenige Anfragen“, sagt eine Sprecherin von Außenminister Fischer, „die dann aber auch abgelehnt werden.“ Auch nach einer Aufhebung des EU-Embargo würde sich an der deutschen Situation nichts ändern. Kanzler Schröder, der für eine Aufhebung des Embargos eintritt, geht es hier wohl vor allem um eine außenpolitische Geste und die Schaffung eines günstigen Exportklimas gegenüber China, von dem zunächst deutsche Rüstungsexporteure am wenigsten profitieren würden.
Auf europäischer Ebene gibt es nun zwei Gründe, das Waffenembargo neu zu diskutieren. Zum einen gilt die derzeitige Situation wegen des unklaren Umfangs des Embargos als unbefriedigend. Zum anderen sollen die Beziehungen zu China verbessert werden. Schon im Dezember 2003 hat der Europäische Rat beschlossen, das Waffenembargo gegen China zu überprüfen.
Vor dem Hintergrund dieser EU-Entwicklung und Schröders Äußerungen hat der Bundestag im Oktober vergangenen Jahres einen Beschluss gefasst, wonach das EU-Waffenembargo aufgehoben werden darf, wenn es in China zu Fortschritten bei den Menschenrechten kommt.
Kurze Zeit später, im Dezember 2004, bekräftigte der Europäische Rat seinen „politischen Willen, weiter auf eine Aufhebung des Waffenembargos hinzuarbeiten“, wie es im Beschluss der Staats- und Regierungschefs heißt. Kanzler Schröder ist im europäischen Kontext also keine vereinzelte Stimme. Ausdrückliche Bedingungen für die Aufhebung des Embargos werden dabei nicht genannt, auch wenn natürlich viel von Menschenrechten die Rede ist.
Bis vor kurzem war noch damit gerechnet worden, dass das Waffenembargo beim nächsten EU-Gipfel im Juni tatsächlich fällt. Nachdem China jüngst aber das gegen Taiwan gerichtete Sezessionsgesetz beschlossen hat, dürfte die erforderliche Einstimmigkeit im Europäischen Rat wohl nicht zustande kommen.
Unklar ist auch noch, ob der Versuch Erfolg hat, den bisher unverbindlichen EU-Verhaltenskodex über Rüstungsexporte zu einem verbindlichen EU-Rechtsakt zu machen. In EU-Kreisen werden beide Maßnahmen als Einheit gesehen. CHRISTIAN RATH