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Archiv-Artikel

Autobahn und Grüntangente

Die Geschichte des Gleisdreiecks ist so unübersichtlich wie das Gelände selbst

Der Weg führt geradeaus, immer tiefer ins Dickicht. Die Pflastersteine sind bei jedem Schritt mehr von Moos überwuchert, bis man auf einmal vor einem dichten Dschungel steht. Bäume und Sträucher bilden ein dichtes Netzwerk, das so undurchsichtig ist wie die Geschichte des ehemaligen Bahngeländes am Gleisdreieck. Auf diesem Gelände befindet sich der Weg.

Wenn es nach den Verkehrsplanern der Siebzigerjahre ginge, verliefe dort heute eine Autobahn: die so genannte Westtangente. Doch ein Teil der Berliner wollte diese Planung nicht hinnehmen. 1974 gründete sich die Bürgerinitiative Westtangente, einer der aktivsten BIs der Stadt. Jahrelang wehrte sie sich erfolgreich gegen den Autobahnbau, bis die Pläne 1991 endgültig vom Tisch verschwanden.

Damit war die Zukunft des Geländes, das sich vom Landwehrkanal im Norden über die Yorckstraße bis zur Monumentenbrücke im Süden erstreckt, wieder offen. Die Anwohner wünschen sich eine „Grüntangente“, also eine große Parkanlage. Die Bahntochter Vivico, der das Gelände offiziell gehört, hat aber andere Pläne. Sie will das Gelände bebauen und profitabel verkaufen. „Was anderes interessiert die nicht“, sagt Norbert Rheinländer von der Arbeitsgruppe Gleisdreieck, die sich für die Grünanlage einsetzt. Rheinländer war auch einer der aktivsten Streiter in der BI Westtangente.

Zwischendurch gab es auch noch andere Pläne. Etwa ein Riesenrad, das die Investorenfirma „World Wheel Berlin“ fest installieren wollte. Das scheiterte jedoch am Technikmuseum, das künftige Expansionsgelüste gefährdet sah. Nachdem ein englischer Mäzen im Februar Geld zugesichert hatte, kaufte das Museum das Grundstück kurzerhand selbst.

Andere Projekte wurden konkreter, etwa das der Firma Globalgolf Berlin, die seit Dezember im Norden des Geländes einen Golfparcours baut. Sehr zum Ärgernis der Bürgerinitiativen, denn laut einem städtebaulichem Strukturplan sollte das Areal zur öffentlichen Parkanlage gehören.

Dennoch hoffen die Anwohner auf eine baldige Einigung, die den Traum von der großen Grünanlage vor der eigenen Haustür endlich Wirklichkeit werden ließe. Ein kleiner Teil wird immerhin schon bald zugänglich sein. Im dem übrigen Gebiet wird sich die Natur über die Jahre wohl noch den einen oder anderen Weg langsam zurückholen. NICO STORZ