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KOMMENTAR VON CHRISTIAN JAKOBKeine Verjährung

Die Gnade hat ihren festen Platz im Rechtswesen. Irgendwann, so will es das Gesetz, soll die Justiz die Vergangenheit ruhen und ihren Strafauftrag fallen lassen. Und präzise legt das Strafgesetzbuch fest, wann es soweit zu sein hat. Genau zwanzig Jahre sind es zum Beispiel bei Taten, für die höchstens zehn Jahre Gefängnis verhängt werden können: Etwa schwere Fälle von Freiheitsberaubung oder Körperverletzung mit Todesfolge. Dann verzichtet Staat ganz freiwillig auf seine Sanktion. Der gesellschaftliche Frieden gilt ihm in solchen Fällen offenbar nicht als gefährdet.

Soviel Großmut kennt die Ausländerbürokratie nicht. Falschangaben, wie sie die Ertekins gemacht haben, können kaum als schwerwiegendes Delikt eingestuft werden. Es handelt sich wohl viel eher um eine Art von Erschleichung – begangen in einer Lage, die getrost als verzweifelt betrachtet werden kann.

Dennoch sollen sie die ganze Härte des Ausländerrechts zu spüren bekommen – fast 20 Jahren nach ihrem Rechtsverstoß. Ein eigener Betrieb, hier aufgewachsene Kinder, ein leeres Vorstrafenregister, selbst deutsche Pässe – nichts von dem soll dabei eine Rolle spielen. Soviel Verfolgungswillen kann nur aufbringen, wer mit dem ganzen Einwanderungs- und Einbürgerungszirkus am liebsten ganz und gar aufräumen würde. Rassismus verjährt eben nicht.

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