: Flaschenrazzia auf St. Pauli
GLASFLASCHENVERBOT Zum Auftakt kontrolliert die Polizei demonstrativ die Einhaltung der neuen Regeln. Künftig soll es ohne Großaufgebot gehen
Auf der Reeperbahn wird jetzt mehr auf Ex getrunken als bisher: Sieht der Kiezbesucher Polizisten, die das seit vergangenem Freitag geltende Glasflaschenverbot kontrollieren, dann säuft er schnell das Bier aus seiner Flasche, rülpst, entsorgt die Flasche in einem Container, und stolpert blauer als sonst in die Nacht. Zu erleben war das erstmals am Samstagabend: Da hatte die Polizei die Presse eingeladen zuzusehen beim Durchsetzen der neuen Regelung.
Wer eine Glasflasche nicht sofort entsorgt, dessen Personalien werden aufgenommen. Wer sich weigert, seine Flasche zu entsorgen, wer motzt oder pöbelt, muss mit einer Verwarnung in Höhe von 30 Euro oder Bußgeld – 60 Euro – rechnen. Das Glasflaschenverbot, das an diesem ersten Wochenende bis zu 340 Beamte der Landes- und Bundespolizei überwachten, wurde erlassen, weil „vergangenes Jahr 128 Menschen durch Glasflaschen verletzt wurden“, so erklärte es der Leitende Polizeidirektor Kuno Lehmann. Die Zahl liegt in diesem Jahr bei bisher 59.
Das Verbot hilft Wirten, deren Konzession erlaubt, Getränke draußen glasweise auszuschenken: Gäste, die draußen aus Gläsern trinken dürfen, sind seit Freitag etwas Besseres. Die Aggressivität auf dem Kiez freilich, daran wird es nichts ändern. Sie entsteht, weil viele Kiezgänger weder Outfit noch Geldbeutel haben, um in die Clubs zu kommen und sich auch nicht jede Kneipe leisten können. Sie trinken im Freien, um trotzdem dabei zu sein.
Das Verbot schädigt Kioske, die Whisky und Wodka, die nur in Glasflaschen verkauft werden, nicht mehr im Angebot haben dürfen. „Mein Umsatz“, sagt etwa der Kiosk-Mitarbeiter Karkut, „ist seit Freitag um die Hälfte zurückgegangen.“ Das Leben schwer macht das Verbot auch Wirten wie dem des „Steinbock“, der von Thorsten Schröder vom Polizeilichen Jugendschutz eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit bekam: In Zivil kontrollierte Schröder am Samstag, ob Gaststätten das Glasverbot einhalten. Der „Steinbock“-Wirt bekam einen Flyer, der das Verbot erklärt, und muss nun seine Konzession lesen, damit er weiß, „was erlaubt ist und was nicht“. Insgesamt wurden 95 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das neue Verbot erstattet.
In die S-Bahn-Haltestelle Reeperbahn kam man am Samstagabend zeitweise nicht hinein. Unten filzten Bundespolizisten die Fahrgäste. Eine Flaschensammlerin ließ man nicht passieren, ebenso wenig eine Junggesellen-Party mit ihrem Bollerwagen: Alle Schnapsflaschen landeten im Container.
Ab Mitternacht lief die Polizei verstärkt Streife. „Den Aufwand“, sagt Lehmann, „werden wir nicht immer betreiben.“ Wenn künftig am Wochenende die üblichen 90 Beamten unterwegs sind, werden „die neben dem Waffen-, auch auf die Einhaltung des Glasflaschenverbots achten“. Er sei sicher, dass der Einsatz „von Flaschen als Waffe zurückgeht“. ROGER REPPLINGER