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Archiv-Artikel

Umweltschützer nehmen Eichel Arbeit ab

Ein aufkommensneutrales Fördersystem für den Einbau von Diesel-Rußpartikel-Filtern ist möglich, sagt die Deutsche Umwelthilfe: Diesel „ohne“ müssten einfach mehr Kfz-Steuern zahlen. Stuttgart überschreitet Grenzwert um 600 Prozent

AUS BERLIN NICK REIMER

Solche Meldungen sind inzwischen Alltag in Deutschland: In Dortmund wurde gestern zum 35. Mal die zulässige Feinstaub-Konzentration von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft überschritten. Auch hier unterstützt die Deutsche Umwelthilfe eine Klage – nach Stuttgart, München und Berlin ist Dortmund die vierte Kommune, die zur Einhaltung der Grenzwerte juristisch gezwungen werden soll.

„Stuttgart hat gestern bereits zum 44. Mal den Grenzwert überschritten, und zwar gleich um 600 Prozent“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, gestern in Berlin. Dass die württembergische Stadt trotzdem nichts unternimmt, sei ein „einzigartiger Skandal“. In Rom wurde bereits bei 125-prozentiger Überschreitung ein Fahrverbot verhängt, so Resch.

Allerdings – das ist der Umwelthilfe klar – lösen Fahrverbote das Problem nicht. „Ohne den Einbau entsprechender Dieselfilter sind die Grenzwerte nicht zu schaffen“, erklärte Resch – um gleich den „nächsten Skandal“ zu benennen: „Seit über einem Jahr verschleppt Finanzminister Hans Eichel den von der Koalition gewollten Gesetzentwurf zur Förderung der Fitertechnik.“

Was Eichel verweigert, lieferte gestern die Allianz „Kein Diesel ohne Filter“. Neben der Deutschen Umwelthilfe gehören ihr beispielsweise Kinderhilfswerk, BUND, der Verkehrsclub Deutschland und das Umweltbundesamt an. Zentrale Idee des Fördervorschlages: Er soll aufkommensneutral sein. Denn genau das ist der Hauptstreitpunkt zwischen Ländern und Bundesregierung: Rot-Grün will bei Einbau weniger Kfz-Steuer erheben, die Länder sollen zahlen – Kfz-Steuer nämlich ist Ländersache: Die Bundesländer fürchten Einnahmeausfälle. „Wir schlagen deshalb eine höhere Besteuerung von schmutzigen Diesel-Pkws vor“, erläuterte Resch. 100 bis 150 Euro pro Jahr müssten alle filterlosen Fahrzeughalter mehr zahlen. Damit soll zum einen ein Nachrüst-Druck erzeugt werden, zum anderen würde Geld für die Förderung frei.

Neuwagen „mit“ sollten nach diesem Modell zwei Jahre lang 350 Euro Steuern sparen, nachgerüstete 250 Euro. Wer nach der Nachrüstung die nächste Grenzwertstufe erreicht – ab 2009 dürfen Dieselmotoren nur noch ein Zehntel des heutigen Grenzwertes emmittieren – solle gar zwei Jahre lang 600 Euro bekommen.

Allerdings: Die Steuerförderung ist nur ein Teil der Aufgabe. Verschiedene mittelständische Hersteller sagten gestern einen mittelfristigen Lieferengpass für die serienmäßige Ausstattung voraus – speziell von Neuwagen. „Zwar bauen die führenden Hersteller ihre Produktionskapazitäten aus“, so Uwe Israel vom Filterhersteller Twintech. Allerdings sei auch der künftige Weltmarkt für verfügbare Filtertechnik praktisch aufgekauft.

Schuld am Dilemma ist für Resch die deutsche Autoindustrie. Die habe die Filtertechnik jahrelang massiv boykottiert. „Mercedes hat beispielsweise bereits in den 80er-Jahren auf dem Gebiet geforscht. Damals ohne den durchschlagenden Erfolg“, sagte er. In den folgenden Jahren sei es den Autobauern allein darum gegangen, die Dieseltechnik möglichst billig zu halten. Mit Erfolg: In den letzten Jahren stieg die Dieselquote bei den Neuzulassungen stetig – zuletzt um 8 Prozent. Andererseits ist die Dieseltechnik heute mit Abstand die dreckigste auf den Straßen.