: Pilger im Anmarsch
Die Papstbeisetzung am Freitag stellt Rom vor eine enorme logistische Herausforderung
ROM taz ■ „Es ist, als müsse man in 48 Stunden ein Heiliges Jahr organisieren.“ Roms Bürgermeister Walter Veltroni fasst plastisch zusammen, was in dieser Woche auf die Ewige Stadt zukommt: eine nie da gewesene Invasion von Pilgern, die in Sankt Peter dem Leichnam Johannes Pauls II. die letzte Ehre erweisen und an der Beerdigungszeremonie teilnehmen wollen.
Die jeweils gut 100.000 Menschen, die sich am Samstag und Sonntag auf dem Petersplatz vor dem Vatikan einfanden, waren nur ein kleiner Vorgeschmack. Gestern Nachmittag wurde die Leiche des Papstes zunächst feierlich vom Apostolischen Palast über den Petersplatz zur Basilika getragen und dann öffentlich aufgebahrt. Schon am Vormittag aber hatte ein ununterbrochener Strom von Menschen zum Petersplatz eingesetzt, die sich einen Platz in der Schlange sichern wollten.
Den Tenor der nächsten Tage hat Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano vorgegeben, als er von „Johannes Paul dem Großen“ sprach; diesen Ehrentitel tragen nur drei, alle später heilig gesprochene Päpste, und er wurde seit über 1.000 Jahren nicht mehr vergeben. Größer als je zuvor wird ganz gewiss der Massenandrang zur Beerdigung werden. Das freut die Kaufleute, Hoteliers und Restaurantbesitzer rund um den Vatikan, die das Geschäft ihres Lebens wittern und ihre Preise kräftig angehoben haben. Und das stellt die Stadt vor eine enorme logistische Herausforderung.
Zwei bis vier Millionen Menschen nämlich werden bis Freitag erwartet, und anders als beim Weltjugendtag im Jahr 2000 kommen sie nicht mitten im August in eine dank der Ferien weitgehend verwaiste und noch dazu seit Monaten vorbereitete Stadt. Die Behörden haben die undankbare Aufgabe, von einem Tag auf den anderen Klohäuschen, Sonderzüge, spezielle Buslinien zum Vatikan, Megaparkplätze für 4.000 Reisebusse vor den Toren Roms, Zeltstädte, medizinisches und Sicherheitspersonal zur Verfügung zu stellen. Um dem logistischen Gewaltakt nicht im Wege zu stehen, haben die drei größten Transportgewerkschaften CGIL, CISL und UIL ihre für Freitag und Sonntag geplanten landesweiten Streiks im Nahverkehr abgesagt.
Schon hat die römische Stadtverwaltung diverse große Veranstaltungshallen und Messepavillons requiriert; die Messe Rom und ein Eisenbahnergebäude im Stadtviertel Trastevere sind schon als Massenschlafsäle hergerichtet, 6.500 Gläubige können hier gratis nächtigen. Alternativen haben sie nicht: In ganz Rom sind keine Hotel- oder Pensionszimmer mehr zu haben. Vorbereitet sind auch Großcampingplätze; die mit Zelt und Schlafsack anreisenden Papa Boys sollen auf dem Freigelände von Tor Vergata – dort zelebrierte Johannes Paul II. vor fünf Jahren das Weltjugendtreffen – und auch im Circus Maximus nächtigen. Von dort werden sie 24 Stunden rund um die Uhr mit Sonderbuslinien zum Petersdom gebracht; die Basilika wird in den nächsten Tagen auch nachts für das anhaltende Defilee der Pilger geöffnet bleiben.
Um den Strom der Massen wenigstens etwas in den Griff zu kriegen, wurden zudem den italienischen Regionen spezifische Tage zugewiesen, an denen die Pfarreien ihre Busse Richtung Rom schicken können. Den Anfang machen heute das Piemont, die Lombardei, das Aostatal, die Abruzzen und Kampanien.
Zur größten logistischen Bewährungsprobe dürfte aber der Tag der Beerdigung werden. Neben den Millionen Gläubigen nämlich werden auch 200 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter ihnen US-Präsident George Bush samt Bush senior und Amtsvorgänger Clinton sowie Russlands Präsident Vladimir Putin. 6.500 Polizisten sollen die Sicherheit der hohen Gäste gewährleisten, allein 800 Beamte werden für die Motorradeskorten gebraucht.
Die gestern zusammengetretene Kongregation der Kardinäle – ihr obliegen nach dem Tod des Papstes bis zur Wahl des Nachfolgers alle Entscheidungen – setzte den Beerdigungstermin für Freitag 10 Uhr fest. Zugleich wurde dort der letzte Wille Johannes Pauls II. bekannt gegeben: Er wird in Sankt Peter beigesetzt werden; die Hoffnung vieler polnischer Katholiken, sein Leichnam oder wenigstens sein Herz könne nach Krakau überführt werden, hat sich damit zerschlagen. MICHAEL BRAUN