: Bausteine ohne Fundament
EISHOCKEY Wenn die Hannover Scorpions am Dienstag in Augsburg auflaufen, sitzen ihnen tief greifende Probleme im Nacken
Zum Ausklang ihres furchtbar erfolglosen Jahres war auch Galgenhumor ins Spiel gekommen. Acht Heimpleiten in Folge, Tabellenvorletzter der Deutschen Eishockey-Liga – die Fans der Hannover Scorpions hätten allen Grund zum Pfeifen. Aber zuletzt feuerten die Anhänger ihr Team so euphorisch an, als ob sie den drohenden Untergang mit Trost und Aufmunterung abwenden könnten. „Unsere Fans haben ein feines Gespür“, sagt Scorpions-Geschäftsführer Marco Stichnoth dankbar.
Der Absturz des Klubs, der im Mai 2010 noch ein bestaunter deutscher Meister war, wirft viele Fragen auf. Wenn Spieler wie Andreas Morczinietz das Dilemma der Scorpions erklären sollen, flüchten sie sich in die üblichen Floskeln. Alle Bausteine, versichert der Flügelstürmer, müssten zusammenpassen, um Erfolg zu haben.
Aber ein Team, das aufgrund hausinterner Probleme tüchtig umgestaltet worden ist, findet für seine Bausteine nicht mehr das richtige Fundament. Angesichts von nur 33 Punkten aus 32 Spielen stellt sich die Frage, wie die Mannschaft von Trainer Toni Krinner die Play-offs (Tabellenrang 1 bis 6) oder auch nur die Pre-Play-offs (Tabellenrang 7 bis 10) erreichen will.
Es sei nur eine Frage der Zeit, versichern die Spieler vor ihrer Auswärtspartie am Dienstag bei den Augsburger Panthern, bis man sich finden werde. Sätze wie diese fallen meistens dann, wenn kein Weg zur Besserung in Sicht ist. Krinners Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2013.
Während die Spieler auf die heilenden Kräfte der Zeit hoffen, sind die Verantwortlichen des Vereins mit feineren Analysen beschäftigt. Als erfahrener Geschäftsführer eines Klubs, der schon seit 1996 der DEL angehört, weiß Stichnoth die Höhen und Tiefen der Puck-Branche zu deuten. Das Sommertheater aus dem Jahr 2010, als die Scorpions zwar Champion geworden waren, aber auch ihren Meister-Trainer Hans Zach verloren hatten, sorgt bis heute für ein Wirrwarr hinter den Kulissen.
Hauptsponsor Günter Papenburg kämpft seit Jahren darum, das finanzielle Leid der Scorpions aufzuteilen. Eine neue Betreibergesellschaft für die TUI-Arena möchte er gründen, damit das wirtschaftliche Risiko auf mehrere Schultern verteilt wird. Weitere Geldgeber müssten gefunden werden, die das ansehnliche, aber auch defizitäre Eishockey in Hannover möglich machen sollen. Irgendwann muss Papenburg die Nerven verloren haben. Der Klubchef und Bauunternehmer hat schon mit seinem Rückzug gedroht, blieb aber. Den Etat der Scorpions hat er drastisch gesenkt. Und genau dieser Sparkurs braucht Stück für Stück des Ruhmes auf.
Seit den Gehaltskürzungen für die Spieler nach der Meisterschaft haben viele gestandene Profis den Klub verlassen: Es ist wenig verwunderlich, dass es dem Ex-Champion nicht gelingt, mit weniger Geld ähnlich viel Erfolg zu haben. Mit den Gerüchten, dass die DEL-Lizenz der Scorpions oder gleich der gesamte Verein eines Tages verkauft werden muss, lebt Geschäftsführer Stichnoth seit geraumer Zeit. Bisher versichert er, dass man russischen Investoren, die schon in Hannover vorstellig geworden sind, stets die kalte Schulter gezeigt hat. CHRISTIAN OTTO