Infoganda

Die US-Regierung produziert Fernsehberichte: Immer mehr TV-Stationen übernehmen die visuellen Pressemitteilungen dankbar – und unkommentiert

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Abendnachrichten im US-amerikanischen Lokalfernsehen. Der Sprecher kündigt einen Bericht zu Fragen der Flugsicherheit in den USA an, die Geschichte flimmert über den Bildschirm, die Politik der Bush-Regierung wird dabei ausdrücklich gelobt und am Ende nennt der Reporter wie üblich seinen Namen. Schnitt und zurück ins Studio.

Der ausgestrahlte Report sah aus und hörte sich an wie ein normaler journalistischer TV-Beitrag und wurde auch als solcher präsentiert. Doch er wurde von der „Transportation Security Commission“ in Auftrag gegeben, der Reporter war bei der Regierung unter Vertrag. „Fake TV-News“ wie diese gehören mittlerweile zum Alltag im US-Mediengeschäft. Ministerien und Regierungsbehörden produzieren und vertreiben sie an Fernsehstationen wie eine Art visuelle Pressemitteilung. Nach Einschätzung des General Accountability Office (GAO), einem unabhängigen Untersuchungsgremium, das im Auftrag des Kongresses der Regierungsarbeit auf die Finger schaut, handelt es sich dabei um „illegale versteckte Propaganda“.

Als dieses Vorgehen Ende letzten Jahres erstmals Schlagzeilen machte, zeigte sich die Regierung noch schuldbewusst und gelobte Besserung. Doch nachdem die New York Times im März detailliert über die Propagandamaschine des Bush-Teams berichtete, verteidigte sich das Weiße Haus. Man würde nur „Fakten für die Bevölkerung“ bereitstellen. Rechtlich ist der Regierung kaum etwas anzulasten. Sie drängt oder zwingt niemanden, ihre selbst produzierten Videoclips im Stile eines journalistischen Berichts auszustrahlen. Sie darf Steuergelder verwenden, um Informationen über Regierungsprogramme zur Verfügung zu stellen, wie zum Beispiel in Deutschland die Bundeszentrale für politische Bildung, jedoch nicht, um für sich zu werben. Die Frage ist, was ist Information und was Propaganda.

Die Parlamentswächter im GAO haben sich diesbezüglich klar ausgedrückt. Viele Kommentatoren verurteilen die Praxis, die Washington Post nennt sie „betrügerisch“. Doch die Verhaltensregeln für die Regierung werden vom Justizministerium erlassen. Dort will man lediglich eine „legitime Informationsverbreitung“ erkannt haben. Im Kreuzfeuer stehen daher ebenso die nachlässigen Medien. Sie haben es – bewusst oder unbewusst – versäumt, staatliche PR-Videos, die in ihren TV-Sendungen laufen, auch als solche zu deklarieren. Kritiker werfen ihnen daher vor, ihre öffentliche Verantwortung grob vernachlässigt zu haben. Doch die Bush-Regierung ist damit nicht aus dem Schneider. Schließlich nutzt sie ebendiese Schlamperei in den Redaktionsstuben aus. Ihre abschätzige Haltung gegenüber der Presse ist bekannt. Der Präsident sieht in ihr keine fundamentale Säule der Demokratie mehr, sondern eine Interessengruppe. Und Andy Card, Stabschef im Weißen Haus, offenbarte einmal, die Regierung glaube nicht, dass Medien heute noch die Funktion von „check and balance“ hätten.

Vor diesem Hintergrund bekommen die „fake news“ eine andere Note. Wer der Presse keine Bedeutung mehr beimisst, hat auch weniger Probleme damit, Manipulationen zu rechtfertigen. Diese Einstellung wird noch dadurch befördert, dass die Medienlandschaft in den USA zunehmend fragmentiert und die Grenzen zwischen Nachrichten, Kommentaren und Infotainment immer fließender werden. Die Presse alter Schule – Zeitungen, Politmagazine und die großen TV-Networks – verliert ihre traditionelle Rolle, die Bevölkerung mit Informationen zu versorgen und die Regierenden zu überwachen. In der immer unübersichtlicheren Medienwelt mit hunderten von Spartenkanälen, Talkradios, Bloggern und Online-Publikationen gelingt es einer skrupellosen Regierung eher, Informationen gezielt zu beeinflussen.