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Archiv-Artikel

„Wir müssen den Papst für fünf Jahre wählen“, sagt Gotthold Hasenhüttl

Wer nächster Pontifex wird, ist egal: Fast alle Kandidaten sind linientreu. Die Kirche braucht andere Strukturen

taz: Herr Hasenhüttl, wir wollen über die Zukunft der Kirche reden – aber können Sie sich eine Würdigung des Papstes verkneifen?

Gotthold Hasenhüttl: Ja, das kann ich durchaus.

Richtig traurig sind Sie nicht über seinen Tod, oder?

Wenn Sie Gefühle ansprechen: Es ist nicht zu erwarten, dass etwas viel Besseres nachkommt. Von daher ist es eigentlich ziemlich gleich, ob er noch lebt oder nicht. Obwohl man die Hoffnung ja nie aufgeben soll. Vielleicht passiert ja etwas Ähnliches wie damals in der UdSSR mit Gorbatschow.

Wird Ihr Fall dann wieder aufgerollt?

Wohl nicht – es sei denn, es werden die Fehler des Pontifikats von Johannes Paul II revidiert. Es war doch so: Das Erste, was er tat, war der Entzug der Lehrerlaubnis von Küng – und das Letzte war meine Suspendierung.

Im Norden des Globus geht der Kirche das Personal aus – leidet deshalb dessen Qualität?

Das ist eine ganz große Schwierigkeit. Heute streben sehr oft Männer das Priesteramt an, die psychische Schwierigkeiten haben, auch mit ihrer Sexualität. Deshalb gibt es heute weitgehend eine negative Auswahl des niedrigen Führungspersonals: Fast nur noch ganz linientreue Leute werden Priester – und niemand, der eigene Ideen hat.

Gilt das auch für die Bischöfe?

Die Frage ist, was man will: Will man Apparatschiks, die der Führung willenlos ausgeliefert sind und tun, was der Papst sagt, dann hat man schon die richtigen Leute. Bischof Marx von Trier…

Er hat Sie suspendiert …

… ist ein ganz typisches Beispiel dafür, ebenso wie viele andere deutsche Bischöfe. Sie sind nicht in ihrer Qualität ausgewiesen, sondern durch ihren Gehorsam und ihre Linientreue.

Hält wenigstens die Theologie an den Unis das Niveau?

Hier ist es das Gleiche. Johannes Paul II. hat ja nicht einmal den Bischöfen die Möglichkeit gegeben, selbstständig das Lehrpersonal an der Universität zu regenerieren. Rom selbst entscheidet, ob jemand einen Lehrstuhl bekommt. So ist etwa jeder, der sich jemals für das Priestertum der Frau aussprach, von vornherein nicht mehr für einen Lehrstuhl geeignet und wird keinen bekommen. Das drückt das Niveau ganz gewaltig. Dabei hatte die deutsche Universitäts-Theologie als nicht nur kirchliche Institution einen gewissen Freiraum.

Sollte sich die Kirche – der Norden scheint verloren – auf den Süden konzentrieren?

Das würde die Sache nur verschlimmern, da es eine geradezu ausbeuterische Haltung wäre. In afrikanischen und anderen armen Ländern bedeutet es ja einen sozialen Aufstieg, Priester, Bischof oder Theologieprofessor zu werden. Durch diesen Anreiz eines sozialen Aufstiegs gängelt man diese Leute. Man macht sie mundtot, denn niemand traut sich dann noch, am bestehenden System Kritik zu üben.

Wie in Afrika?

Genau. Die Kirche dort ist finanziell ganz stark abhängig. Zudem wurde sie in der „propaganda fidei“, im römischen Seminar, indoktriniert, aus dem die meisten Bischöfe Afrikas stammen. Kardinal Arinze etwa, als möglicher Papst gehandelt, wäre eine einzige Katastrophe. Der ist so reaktionär! Der wäre noch schlimmer als der Ratzinger.

Wirtschaftlich gedacht: Was nutzt es, im Süden zu expandieren, wo Geld fehlt?

Richtig, deshalb legt der Vatikan auch Wert auf den Norden. Aber das Finanzielle ist nicht im Vordergrund, es geht um Ideologie. Das Ziel ist ein fundamentalistisches Christentum, es geht um Unterordnung in einer straff hierarchisch organisierten Institution. Das ist ein katastrophales Ziel, weil ich darin einen Verrat an der Botschaft Jesu sehe.

Die Hälfte der Katholiken lebt im Süden. Wird das die Papstwahl beeinflussen?

Ich vermute, es wird ein Lateinamerikaner, allerdings ein „Opus Dei“-Mann. Dann hat der Vatikan genau das, was er will: Einerseits jemand aus dem Süden, der gleichzeitig ein strammer, aufrechter Fundamentalist ist. Der Papst hat ja so viele „Opus Dei“-Leute zu Bischöfen gemacht.

Wie viele „Opus Dei“-Leute sind im Konklave?

Schwer zu sagen, es ist ja eine Geheimorganisation. Aber ich schätze: mindestens die Hälfte.

So viele! Warum bekennt sich nur einer dazu?

Es geht dem Opus Dei darum, die Kirche unmerklich zu unterwandern, sonst funktioniert dieser Plan ja nicht.

Wird Rom irgendwann entmachtet, da Europas Kirche immer unwichtiger wird?

Nein, Rom wird schon das Zentrum bleiben. Aber es bedürfte einer radikalen Reform: Der Papst wird für fünf Jahre von der Weltkirche gewählt – es gibt unzählige Vorschläge. Dann würde die katholische Kirche ein ganz anderes Ansehen gewinnen. Irgendwann müssen die Veränderungen kommen. Auf die Dauer lässt sich das so nicht halten.

Wen wünschen Sie sich als Papst in diesem Konklave?

Das kann ich nicht sagen: Fortschrittliche Kardinäle wurden als Päpste völlig rückschrittlich, wie etwa der „Unfehlbarkeits“-Papst Pius IX. Und manchmal stoßen von Haus aus sehr konservative Kardinäle wie etwa der spätere Johannes XXIII. etwas auf. Auf jeden Fall ist kein deutscher Kardinal geeignet, Papst zu werden. Da der Papst bisher aber alles allein entscheiden kann, kommt es auf ihn an, in dieser monarchischen, gleichsam diktatorischen Kirche etwas zu verändern.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER