: Fröhliche Märchenwelt
Das Rheinische Landesmuseum Bonn zeigt in der Ausstellung „Otmar Alt: Innenansichten der Moderne“ über 100 Bilder des umstrittenen Künstlers
VON JÜRGEN SCHÖN
Seine Werke zieren Kaffeeservice, Badetücher, Sammelteller und Klaviere. Jahrelang gab er einen eigenen Jahreskalender heraus. Er gestaltete Telefonkarten, entwarf einen Nussknacker und einen Plüschteddybär, durfte sogar einen Zug der kommunalen Dürener Kreisbahn bemalen. Vor den fröhlich-bunten Bildern Otmar Alts scheint es kein Entkommen zu geben. Das Rheinische Landesmuseum Bonn zeigt jetzt mit mehr als 100 Bildern aus den letzten Jahren eine andere Seite des Künstlers: die Auseinandersetzung mit den Meistern der Klassischen Moderne.
Die interpretierenden Übernahmen von Miró, Chagall, Macke, Marc oder Klee sind offensichtlich, und der 65-jährige Alt bekennt sich zu ihnen. Das ist heute, wo im Kunstgeschäft vor allem „das Neue“ zählt, keine Selbstverständlichkeit. Alt ließ sich im Wesentlichen von Postkarten inspirieren. Die Originale von Campendonk, Kandinsky, Kirchner, Hoerle, Nauen, Pechstein und Seewald stellt das Landesmuseum „zum Vergleich“ mit aus.
Auch den Bildern unbekannter Künstler, wie sie in den 50er und 60er Jahren in den „Kunstabteilungen“ großer Kaufhäuser angeboten wurden, hat Alt sich gewidmet. Hier griff er zum Mittel der Übermalung und ließ dabei Teile des Originals, wie altmeisterlich gemalte Trauben oder Heidelandschaften, stehen.
Es sind die von Alt bekannten Kompositionen: Schwarze Linien umfassen wie die Bleistege eines Glasfensters unregelmäßige Farbflächen. Die Flächen selbst sind virtuos und unterschiedlich ausgemalt, mal gleichmäßig eintonig, mal schlierig oder mehrfarbig, wilde Punkte gibt es ebenso wie strenge Geometrie. Die bunten Farben leuchten und flimmern. Bei genauem Hinsehen lassen sich abstrahierte Trolle und Vögel, Fabeltiere, Landschaften und Menschen erkennen. Es sind fröhliche Märchenwelten, Fluchtorte vor der oft unwirtlichen Realität.
Es fällt schwer, in dieser Wohlfühl-Kunst die vom Künstler behaupteten kleinen Widerhaken zu finden oder gar „aufwärtsstrebende phallische Bewegungen“. Max Pechsteins aggressiver Frauenakt wird bei Alt zu einer drallen „Verführung“, das beängstigende, kubistisch angehauchte Bildnis eines Dichters von Heinrich Hoerle gerät zum Porträt eines putzigen Hippies.
Alt hat einen gesellschaftlichen Anspruch. Er will mit seiner Kunst nicht nur Leinwand bemalen, sondern auch in den Alltag der Menschen dringen. Darum engagiert er sich so sehr in Sachen Design und Skulpturen im öffentlichen Raum. Dort aber ist nur massenkompatibel, wer Haken und Ösen vermeidet. Alt gilt als umgänglicher, freundlicher Mensch. Das ist kein Charakterfehler, auch nicht, wenn das seine künstlerische Sicht auf die Welt beeinflusst. Aber diese zugewandte Haltung hilft beim Zukleistern und Einebnen.
Es spricht für den Künstler, dass er sich nicht über große Formate selbst darstellen will. Die im Landesmuseum gezeigte Ausnahme bestätigt diese Regel nur. Doch in den kleinen Bildern, manche nicht einmal DIN A 4-groß, wirken Alts Figuren nur noch niedlich und dekorativ. Verstärkt wird dieser Eindruck im Bonner Museum durch die enge Hängung und eine elegant-modische Rahmung. Es fehlen nur ein paar rote Verkaufspunkte.
„Otmar Alt: Innenansichten der Moderne“: bis 5. Juni, Rheinisches Landesmuseum Bonn, Colmantstr. 14-18, Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr, Katalog 19,80 Euro