: Ein Kurde regiert den Irak
Das Parlament in Bagdad bestimmt Kurdenführer Dschalal Talabani zum Staatschef. Er verspricht Kampf gegen Korruption und Rassismus und nennt die Gegner der US-Truppen „unsere Brüder“
BAGDAD afp/dpa/taz ■ Zum ersten Mal in der Geschichte besetzt ein politischer Führer der Kurden das höchste Amt in einem der Staaten mit kurdischen Minderheiten. Das irakische Parlament in Bagdad wählte gestern nach wochenlangem Tauziehen den Vorsitzenden der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), Dschalal Talabani (72), mit 227 von 275 Stimmen zum neuen Staatschef.
Die Ernennung Talabanis ist der Lohn des jahrzehntelangen Kampfs der Kurden im Nordirak um mehr Rechte. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte noch 1998 Giftgas gegen aufständische Kurden eingesetzt. Seit dem Golfkrieg von 1991 waren die nordirakischen Kurdengebiete autonom, geführt von Talabani sowie seinem Rivalen Massud Barsani. Die Kurden gehörten zu den Gewinnern des US-Einmarschs im Irak 2003. Ihre gemeinsame Wahlliste siegte bei den irakischen Parlamentswahlen im Januar.
Talabani sagte nach seiner Wahl: „Wir werden uns bemühen, nationale Stabilität zu erreichen und Mittel und Wege zu finden, damit wir die Koalitionstruppen nicht mehr brauchen, die dem Irak dankenswerterweise geholfen haben.“ Er werde sich am Aufbau eines demokratischen Irak beteiligen, „der die Freiheit für alle garantiert und der dem Terrorismus, der Korruption und dem rassistischen Gedankengut ihre Wurzeln entzieht“. Der frühere kurdische Rebellenführer sprach sich für Dialog mit den heutigen Aufständischen aus: „Die Iraker, die Waffen tragen, um gegen ausländische Kräfte zu kämpfen, sind unsere Brüder, und wir können mit ihnen reden.“ Für Al-Qaida-Anhänger um den Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi gelte dies jedoch nicht.
Ein Schiite und ein Sunnit werden Talabanis Stellvertreter; der Sunnit ist der bisherige Übergangspräsident Ghasi al-Jawar, der Schiit der bisherige Finanzminister Adel Abdel Mahdi. Sie alle wollen heute den Amtseid ablegen. Dann will Talabani den Vorsitzenden der schiitischen Dawa-Partei, Ibrahim al-Dschafari, als Ministerpräsidenten vorschlagen. Dieser wird die eigentliche Regierungsgewalt ausüben. Talabanis früherer Rivale Barsani dürfte die kurdische Autonomieverwaltung im Nordirak weiterführen. DJ
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