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Archiv-Artikel

Der grüne Chefankläger

Er ist quasi der Chefankläger in der Causa Wulff: Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag. Wenzel war es, der im Frühjahr 2010 die Anfrage mit gestellt hatte, bei der der damalige Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) den 500.000-Euro-Privatkredit einer befreundeten Unternehmergattin verschwiegen hat – ursprünglicher Auslöser der Affäre. Am Freitag hat Wenzel in Hannover einen Katalog mit 100 neuen Fragen zu Wulffs Krediten, Gratisurlauben und Verbindungen zu Unternehmern vorgelegt.

Denn der 49-Jährige hakt nach, wann immer ihm Ungereimtheiten begegnen. Sei es bei der Aufklärung rund um das marode Atommülllager Asse oder wie jetzt bei Verwicklungen von Politik und Wirtschaft. Für Wenzel, der seit 1998 für die Grünen im niedersächsischen Landtag sitzt und dort Wulffs Aufstieg miterlebt hat, „tun sich Abgründe auf, die ich nicht für denkbar gehalten habe“. Wulffs Antwort damals im Parlament habe er zunächst „für bare Münze“ genommen, sagt er.

Ideologische Verbissenheit kann man Wenzel in der Causa Wulff nicht vorwerfen. Der ehemalige Waldarbeiter und Diplom-Agrarökonom gilt in Niedersachsen als möglicher Protagonist für Schwarz-Grün mit gutem Draht zu Ministerpräsident David McAllister. Jüngst handelte sich Wenzel nach der Berlin-Wahl parteiinternen Ärger ein, als er die Forderung der Bundestagsfraktionsspitze nach einer grundsätzlichen Absage an schwarz-grüne Bündnisse ablehnte – über den Kopf der Landespartei hinweg. Unangefochten ist er dennoch, bei der Landtagswahl 2013 ist er als Spitzenkandidat gesetzt.

Denn im Landtag hat Wenzel den Ruf des „echten Oppositionschefs“. Die Fraktion, lange Zeit in Realo- und linken Flügel gespalten, ist unter seinem Vorsitz versöhnt. Und auch darüber hinaus wirkt Wenzel derzeit wie der Repräsentant der niedersächsischen Grünen schlechthin. Als etwa im September die Kommunalwahl im NDR diskutiert wurde, sprachen dort die Landesvorsitzenden der Parteien – für die Grünen war Wenzel gekommen. Und als Chefankläger im Fall Wulff ist er nun endgültig omnipräsent, und das bundesweit. TERESA HAVLICEK